Die Vergangenheit des Regens
drei sind, weil nur noch drei von ihnen übrig blieben.«
»Aber dennoch«, begann Rodraeg, und für einen Augenblick durchlief ihn ein Schaudern angesichts der Tragweite dessen, was er nun aussprechen musste, »kann ich einen solchen Auftrag nicht annehmen. König Rinwe hatte vor achthundert Jahren ein Heer aus hunderttausend Mann. Was sollen sieben Gestalten an eines solchen Heeres statt ausrichten? Wie sollen wir, die wir nicht im Mindesten magisch begabt sind, die Dreimagier und Akamas unterstützen? Was soll ich, der ich mir gerade erst geschworen habe, keine Waffe mehr zu führen, in einem solchen aberwitzigen Gefecht? Wie kann ich Bestar und Tjarka dort hineinführen, in die sichere Niederlage und den sehr wohl möglichen Tod? Das vermag ich nicht zu leisten. Für einen solchen Auftrag ist das Mammut das falsche Tier. Ihr bräuchtet einen Drachen dafür oder vielleicht auch einen Werwolf , wie es ihn bald in Warchaim wieder geben wird.« Rodraeg machte verzweifelte Gesten. »Ich suche es, aber finde es nicht in mir, König Turgenngranet. Ich begreife, dass es letzten Endes darum geht, Warchaim zu retten. Riban hat mir alles erklärt. Aber wenn ich an Warchaim denke ⦠geht es mir jetzt ganz ähnlich wie Bestar. Ich sehe einen Stein vor mir, der durch unser Fenster geschmissen wurde, um Naenn mitten im Herzen zu treffen. Ich sehe die Meute vor mir, die Bestar durch die StraÃen hetzte. Die Gardisten, die uns von einem Mordschauplatz zum nächsten schleiften. Den modrigen Kerker von innen. Ich denke an Warchaim und denke: Soll es sich doch selbst helfen. Immerhin hat es sich erfolgreich gegen unsere Hilfe gewehrt. Ich erschrecke vor mir selbst bei diesem Gedanken, aber er ist in mir, und er beherrscht mich. Wahrscheinlich ⦠will ich in Wirklichkeit nur, wie alle anderen einfachen Menschen auch, weit, weit fort sein, wenn die Tsekoh irgendwo in Erscheinung treten. Weil ich eben nur ein Rathausschreiber bin und kein Heerführer oder Krieger. Weil ich Naenn und ihre Tochter noch einmal wiedersehen möchte. Weil ich mich zu sehr darüber freue, nach allem ausgestandenen Schrecken einfach noch am Leben sein zu dürfen. Und weil die endgültige Antwort auf die Frage: Wärst du bereit, für Warchaim dein Leben und das deiner Freunde in die Waagschale zu werfen? ,nicht lautet: Jetzt nicht mehr , sondern: Nein, eigentlich noch nie .«
Alle schwiegen einen halben Sandstrich lang, bis der König sich räusperte und sagte: »Du darfst den Riesen nicht missverstehen, Rodrachdelban. Auch der Riese verbirgt sich furchtsam vor den Tsekoh. Dir wird kein Tadel zuteilwerden, falls du diesen Auftrag ablehnst. Jedoch die vier, die nun alleine sind, werden ohnâ Zweifel zugrunde gehen, wenn nicht drei weitere ihnen beistehen.«
»Hört auf damit, das Mammut zu quälen!«, mischte sich plötzlich Jeron MeLeil Gabria ein. »Das Mammut besteht nicht aus Kriegern wie wir. Gebt uns irgendeinen Dritten mit, dann werden ich und Seraikella gehen! Das Mammut kann unterdessen unsere Stelle hier einnehmen, um euch gegen die Haarhändler beizustehen.«
»Was soll das heiÃen, dass das Mammut nicht aus â¦Â«, begann Bestar aufzubegehren, doch König Turgenngranet unterbrach ihn, indem er eine Hand hob. »Doch wer soll dieser Dritte sein?«, fragte der König. »Kein einziger Riese darf sich den Tsekoh zeigen, damit sie ihn nicht offenlegen und den Weg in unsere Zuflucht lesen. Wer soll euch begleiten, um die Siebenzahl zu formen?«
Die Antwort auf diese Frage â der Dritte â erschien am übernächsten Tag, dem 15. Nebelmond.
Aber bis dahin zermarterte Rodraeg sich mit Selbstvorwürfen und Grübeleien. Hatte er es den Riesen gegenüber am angebrachten Respekt mangeln lassen? Hätte er nicht, schon allein um Eljazokads Andenken zu ehren, die Gelegenheit ergreifen müssen, den Tsekoh gegenüberzutreten? Hatte es in Warchaim nicht auch viele freundliche, gütige und kluge Menschen und Gesichter gegeben? Selbst Bürgermeister Tommsen war doch eigentlich ein netter Kerl.
Bestar stand kritiklos hinter Rodraegs Entscheidung. Manchmal fragte sich Rodraeg, wodurch er eigentlich â angesichts ihres erst kurzen, aber ungewöhnlich düsteren gemeinsamen Lebensweges â die Loyalität des Klippenwälders verdient hatte.
Tjarka war brummiger. »Statt hier herumzuhocken und tagelang
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