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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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in dem Stein selbst. Es ist der Kopf der Königin! Wir haben ihn nicht gut genug untersucht!«
    Während Tjarka, Jacomer, Migal, Ukas, Ijugis und Onouk weiterhin die Gegend absuchten, kehrten Timbare, Kinjo, der Erleuchtete, Tegden, Rodraeg, Bestar und Enenfe wieder zum Steinkopf zurück, umrundeten diesen mehrmals und tasteten und klopften ihn ab. Bestar drückte nacheinander auf alle sechs Nasen, Kinjo auf alle sechs Lippenpaare. Die Augen waren ebenfalls sehr markant, aber man musste aufeinandersteigen, um sie zu erreichen.
    Â»Wisst ihr was?«, sagte Timbare. »Ich werde ganz nach oben klettern. Vielleicht kann ich von oben etwas erkennen, was uns hier unten verborgen bleibt.« Ohne sich groß mit Seilsicherungen aufzuhalten, erklomm Timbare das freundlichste der sechs Gesichter. Er stieg in die Lippen, hielt sich an den Wangen fest, kletterte über den Nasenrücken bis hoch zu den Augen und von dort aus über die Brauen auf die Schädelplatte. Die Ranken der Bewucherung erwiesen sich dabei als nur trügerischer Halt, denn ihnen fehlte seit Monden das Wasser, und sie waren spröde und morsch. »Hier ist der Eingang!«, rief er hinab, noch bevor er sich aufrichtete. »Ein Loch führt nach unten in den Kopf, genau im Scheitelpunkt. Ein Seil ist hier ebenfalls angebracht. Königliches Fabrikationserzeugnis, würde ich sagen. Stabil und leicht. So was kann man nicht überall kaufen. Unser Freund ist uns vorangegangen.« Jetzt stellte Timbare sich oben in über sechs Schritt Höhe aufrecht hin und drehte sich langsam um sich selbst. »Ich kann ihn sehen«, sagte er dann ein wenig undeutlich. Er zeigte in eine Richtung. »Der berauschte Berg! Der Temé-Béku! Er ist großartig! Aber da unten sieht man tatsächlich den Berg vor lauter Dickicht nicht! Kommt hoch, Leute! Schaut euch das an!« Er ließ eines seiner eigenen Seile am freundlichen Gesicht herunterfließen und setzte sich dann, mit beiden Beinen in der Öffnung verankert, oben hin, um sichern zu können.
    Ijugis kletterte als Zweiter. Auch er war begeistert von dem Anblick, der sich ihm bot. Dann folgte Kinjo. Jetzt war es auf dem Kopf der Königin schon ziemlich voll. »Lasst uns überlegen, wer alles in den Kopf hineingeht«, schlug Timbare vor.
    Â»Ich nicht steigend in Geisterkopf!«, zeterte Enenfe. »Niemals! Nicht in Nähe ich wollend seiend! Böse Gedanken! Delphior zum Schaden, zum Schaden, die bösen Gedanken! Ihr auch nicht steigend! Besser nicht machend!«
    Â»Das wäre schon mal geklärt.« Ijugis schmunzelte. »Rodraeg, wie ist’s? Bleibst du mit deinen beiden Hübschen draußen und übernimmst die Rückendeckung?«
    Rodraeg empfand keinerlei Lust auf anstrengende Klettereien an viel zu dünnen unverknoteten Seilen, das war körperlich überhaupt nicht seine Sache. Aber andererseits wollte er sich das Innere eines im Regenwald verborgenen Tempels auf keinen Fall entgehen lassen. Er blickte seine beiden Gefährten an. »Ich will da rein. Ihr auch?« Beide nickten. »Ein Mammut ist keine gute Rückendeckung«, rief er deshalb nach oben. »Es geht lieber mit seinen Stoßzähnen voran ins Unbekannte.«
    Â»Von mir aus.« Ijugis lachte. »Ukas und der Erleuchtete – ihr beide bleibt bei Enenfe. Der Erleuchtete kommt ebenfalls auf den Kopf rauf und verständigt uns durch Rufen, falls sich draußen etwas Bedeutsames ereignet.«
    Ukas Nouis und der Erleuchtete nickten beide; Ukas wirkte erleichtert, der Erleuchtete lustlos.
    Nun begann das Hinauf- und Hinabklettern. Während einer nach dem anderen an dem Gesicht nach oben stieg, seilten sich die Ersten bereits in das Innere des Kopfes ab, weil oben nicht genug Platz für alle war.
    Rodraeg hatte Mühe beim Erklettern des steinernen Antlitzes, das ihm nun aus intimer Nähe gar nicht mehr so freundlich vorkam. Der Felsen war sonnenwarm, doch staubig, und die toten Ranken verhakten sich in seiner Kleidung und zerrten an ihm wie ausgemergelte Ärmchen. Doch Bestar war hinter ihm wie ein pelziges Auffangkissen und schob ihn bestimmt vorwärts, bis sie beide oben ankamen. Tjarka dagegen war eine gute Kletterin – ob in Bäumen oder auf Felsen, spielte keine Rolle.
    Oben sahen die drei vom Mammut nun auch erstmals den Temé-Béku. Er mochte nicht allzu hoch sein, vielleicht sechshundert, siebenhundert Schritt – aber seine

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