Die Vergangenheit des Regens
beinahe senkrechten gelblich braunen Wände lieÃen ihn einsam und abweisend wirken. Das obere Viertel des Berges war von einer hellen Dunstwolke umgeben, die von hier aus betrachtet Nebel, Regen oder auch weiÃflügelige Insekten sein konnte. Die Entfernung zu diesem Berg schätzte Rodraeg auf zwei, Tjarka nüchterner auf vier Tagesmärsche.
Ein warmer Wind wehte sie an, brachte ihnen die ungesicherte Höhe, in der sie standen, zu Bewusstsein, und roch nach vergorenen Früchten.
»Tjarka«, stellte Rodraeg fest, »diese Mission scheint dir wirklich zu liegen. Du hattest gesagt, wir könnten vom Tempel aus den Berg sehen â und so ist es tatsächlich. Bist du dir sicher, dass du mit hineinkommen willst? Du sagst immer, innerhalb von Bereichen kannst du keine Spuren lesen.«
»Man muss ja nicht überall Spuren lesen.«
Bestar machte den Anfang beim Abseilen. Rodraeg folgte ihm dichtauf, damit der Klippenwälder ihn im Notfall abfangen konnte. Tjarka rutschte behende hinterdrein und musste aufpassen, den sehr langsamen Rodraeg nicht zu bedrängen.
Das, wohin sie sich da abseilten, war kein Raum, sondern lediglich ein staubflirrender Schacht, weniger als einen Schritt durchmessend. In den Wänden schimmerte, Adern gleich, Metall. Von unten drangen das Licht und der Rauch von Erdbeben fackeln und Stimmengemurmel herauf. Es ging mehr als sechs Schritt â schätzungsweise zehn Schritt â in die Tiefe, dann mündete der Schacht in einen Raum mit dem ungefähren Durchmesser des sechsgesichtigen Kopfes. Eine niedrige Kammer, vollgestopft mit Timbare, Kinjo, Ijugis, Onouk und Jacomer, und von oben drängten noch Migal und Tegden nach. Es roch muffig, auch nach Fäulnis und einem anderen, schwer zu beschreibenden Aroma. Nahe der massiv steinernen AuÃenwand befand sich ein weiteres Loch im Boden, mit einem weiteren hinabführenden Seil, das mit einem Hakennagel am Rand befestigt war.
»Wir haben einen Vorteil dadurch, dass dieser Weg bereits erkundet wurde«, sagte Timbare. »Diese Luke wäre sonst nicht so leicht zu finden gewesen, denn der Boden ist dick mit Mulch bedeckt. Und habt ihr oben im Schacht die rostigen Klingen bemerkt, die mit Steinstücken festgeklemmt waren? Ich glaube, dass diese Klingen sich bewegen können und Seile durchschneiden, falls Unbefugte hier eindringen. Ein Sturz zwölf Schritt tief auf Mulchboden dürfte schon genügen, um einen umzubringen. Unser Freund mit dem hübschen Wappen jedoch hat alle Fallen für uns entschärft.«
»Wie konnte er die Klingen sehen und vor allem diese Luke finden, ohne den gesamten Mulch vom Boden zu wischen?«, fragte Onouk mit gerunzelter Stirn. »Meint ihr, er besaà eine Karte dieses Tempels?«
»Nicht auszuschlieÃen«, antwortete Timbare. »Aber ich glaube zu wissen, mit wem wir es hier zu tun haben. Dieser Bursche ist ein echter Fachmann. Ein königlicher Schatzfinder.«
»Kennst du ihn persönlich?«, fragte nun Rodraeg.
»Ihn oder solche wie ihn. Auch in unseren Regenwald sind sie schon vorgedrungen auf der Suche nach Gold, Edelsteinen und den kunstvollen Kultfiguren der Ureinwohner. Meistens arbeiten sie allein, manchmal heuern sie aber auch Träger an oder bringen aus Diamandan Sklaven mit.«
»Wenn hier noch überall seine Seile hängen, bedeutet das doch, dass er nicht von dort unten zurückgekehrt ist, oder?«, vermutete Onouk.
»Zumindest nicht auf demselben Weg, den er hineingegangen ist.« Ijugis rollte bedeutungsvoll die Augen. »Er kann überall sein, genau genommen.«
»Sollen wir an jedem Seil einen von uns zurücklassen, als Sicherung?«, schlug Rodraeg vor. »Dadurch würden wir auch eine Rufkette bilden, die bis nach drauÃen führt.«
Timbare nickte. Als sie hochschauten, konnten sie über sich in zwölf Schritt Höhe wie in der Ãffnung eines Brunnenschachtes den Kopf des Erleuchteten sehen, der zu ihnen hinunterschaute. »Alles klar da unten?«, fragte er. Mehrere antworteten brummend.
»Wir gehen weiter runter«, entschied Ijugis. »Jacomer, du bleibst hier und passt auf, dass keine Person oder keine unentschärfte Vorrichtung uns die Seile kappt.«
Jacomer schmollte, weil er nicht weiter mit hinunterdurfte, fügte sich aber.
Timbare wollte als Erster hinab, doch Kinjo kam ihm zuvor. Der Geistertänzer rutschte mit einem entschlossenen
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