Die Vergangenheit des Regens
sich selbst oder die Königin oder sonst wen zu bereichern. Sie waren hier, um zu helfen. Weil dieser Wald offensichtlich im Sterben lag und seine Eingeborenen zu verwirrt und aggressiv waren, um etwas Erfolgversprechendes dagegen zu unternehmen. Man hätte sich zusammensetzen und reden müssen. Beratschlagen, was zu tun war. Stattdessen war mit Timbare nun der groÃe Fürsprecher beider Regenwälder getötet worden. Sinnlos. Und Bestar und Tjarka und alle anderen würden ebenfalls sterben, nur weil sie hatten helfen wollen?
»Aufhören!«, rief Rodraeg aus Leibeskräften und hob beide unbewaffneten Hände in das saubere Blau des Himmels. »Wir sind nicht eure Feinde! Wir wollen und brauchen den Regen genauso sehr wie ihr! Wir haben die Ameisen gesehen, und es muss einen anderen Weg geben als den der Vernichtung!« Aber niemand hörte ihm zu. An diesem Ort, an dem Regentropfen kostbarer gewesen wären als Gold, waren Worte wertloser als Staub. Um ihn her hatte das Metzeln begonnen. Die Kenekenkelu schrien und zappelten und warfen sich auf alles, was sich bewegte. Vereinzelt, wie es schien, auch auf ihresgleichen, aber das konnte auch eine vielgliedrige optische Täuschung sein. Die Klingenwaffen pflügten Erde auf. Hände mit langen Fingernägeln durchfurchten welkes Urwaldlaub. Schrilles Gebrüll lieà die heiÃe Luft erzittern und alle Konturen verwischen.
Der Erleuchtete tanzte zwischen den anstürmenden, auf allen vieren â und dennoch auf dem Rücken â rasenden Eingeborenen wie ein Irrlicht. Er hieb die Kenekenkelu mit seinen schwirrenden Langmessern regelrecht in Fetzen, war umgeben von einem Getöse aus abgetrennten GliedmaÃen und sprühendem Blut. Rodraeg konnte nicht erkennen, ob der Erleuchtete dabei lachte, aber die Grimasse seines Gesichtes sah verzerrt aus bis zur Unkenntlichkeit, und seine Augen waren dunkelrot wie die eines Untergrundmenschen und beinahe ohne Pupillen wie die des steinernen Kopfes der Königin Umsilika.
Tegden Baudo gesellte sich ihm zu. Die beiden Veteranen des Affenmenschenfeldzuges hatten sehr unterschiedliche Kampfstile. Während der Erleuchtete wirbelte und sprang, dabei selbst sechs- oder sogar achtgliedrig wurde in seiner Schnelligkeit und Wucht, agierte Tegden gezielt und präzise. Seine Waffen waren das königliche Stemmeisen, das Timbare ihm anvertraut hatte, und eine ganz gewöhnliche Rasierklinge. Er bewegte sich kaum, aber immer, wenn sich ihm eine Gelegenheit bot, tötete er mit einem seiner beiden Werkzeuge einen Gegner.
Auch Ukas Nouis lieà die Eingeborenen auf sich zukommen und drosch ihnen seine Stachelfäuste in die Gesichter und gegen die Leiber. Diese Wunden sprühten Blut wie die roten Fäden eines Marionettenspielers.
Ijugis und Onouk dagegen gingen inmitten des Chaos auf die Jagd, brachten ganz gezielt Kenekenkelu zur Strecke, die sie sich herausgepickt hatten. Immer wieder kamen sie aneinander vorüber und lobten sich gegenseitig. Dabei wechselten sie ihre Positionen und, wie es aussah, auch ihre Geschlechter und Identitäten.
Jacomer schoss anfangs noch mit seinem Jagdbogen. Erst nachdem die erste Angriffswelle vorüber war und schon gut zwanzig Ameisenmenschen tot am Boden lagen, musste er sich eines der Wurfbeile greifen, denn die Eingeborenen lieÃen nicht nach. Es wurden mehr und mehr statt weniger und weniger.
Bestar schirmte Rodraeg vor den wie irrsinnig heranstürmenden Angreifern ab und erschlug drei von ihnen mit seinem Erzschwert Skergatlu. Tjarka hatte ihr Waldmesser gezogen und stellte ein wenigstens wehrhaftes Bindeglied dar zwischen Kinjo, der einfach nur lebensmüde über Timbares Leichnam lag und weinte, und Rodraeg, der umherstierte und von Bestar beschützt werden musste.
Abseits des Erleuchteten und Tegdens sowie von Ijugis und Onouk bildete sich ein drittes Auge in diesem Wirbelsturm aus Kampfgeschehen heraus: Migal Tyg Parn. Der Klippenwälder schwang sein Schwert mit hoher körperlicher Ãberlegenheit. Seine GröÃe und Kraft wirkten uneinholbar in diesen Momenten. Um ihn herum bildete sich ein regelrechter Wall aus toten Leibern, aber noch immer lieÃen die Angreifer kein Nachlassen erkennen.
Sie waren tatsächlich wie die Ameisen. Auch in ihren Körperbemalungen: Einige von ihnen waren rotschwarz gestreift, andere ausschlieÃlich leuchtend rot. Es gab aber auch noch andere Farbkombinationen: braun mit
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