Die Vergangenheit des Regens
gelben GliedmaÃen, dunkelgrau, blassgelb mit weiÃen Schattierungen. Alle Ameisenarten dieses Urwaldes waren vertreten, vielleicht sogar die des ganzen Kontinents, vielleicht sogar welche, die es längst nur noch in Ãberlieferungen gab.
Die ursprüngliche Angriffswelle war bewältigbar gewesen, weil sie eine Vorderkante und eine Richtung â von auÃen nach innen â besessen hatte. Aber nun brach sich der stetige Zustrom neuer rasender Leiber um mehrere Klippen herum. Der Erleuchtete und Tegden. Migal. Ijugis und Onouk. Ukas und Jacomer. Die verwundbarste, unbeweglichste Gruppe, die lediglich durch Bestar abgesichert wurde: Rodraeg, Tjarka und Kinjo. Es gab kein einheitliches Drängen mehr, nur noch ein Schwirren wie von Motten in einem Zelt mit vernähtem Ausgang. Und in diesem Schwirren war abzusehen, dass die weiÃen Menschen trotz ihres zweibeinigen GröÃenvorteils gegenüber den vierbeinigen Angreifern keine Zukunft hatten. Sie konnten nicht auf Dauer in alle Richtungen gleichzeitig verteidigen, und es gab mehr als vier Richtungen â mindestens sechs. Schon mussten der Erleuchtete und Migal die ersten hässlichen Wunden an Beinen und Hüften hinnehmen. Ukas war ohnehin schon verwundet und verlangsamt, dadurch riss auch immer wieder Jacomers Flanke ungedeckt auf. Einzig Ijugis und Onouk schienen ihren Spaà zu haben. Rodraeg wurde klar, dass er die beiden schon einmal so erlebt hatte: im Frühling, im Talkessel von Terrek bei der Zerschlagung der Kruhnskrieger. Die beiden spielten sich die Gegner förmlich zu und töteten mit grausamer Lust. Es war widerwärtig und gleichzeitig faszinierend anzuschauen.
Rodraegs Gedanken rasten wie noch nie zuvor in seinem Leben. Fast schien es ihm, als würde das Hacken und Stechen, das Brüllen, Spucken, Sichpreisgeben und Sichverweigern um ihn herum zu zähem Sirup gefrieren, nur damit er sich in den Windungen seines eigenen Gehirns verlieren konnte. Tjarkas offener Mund, der immer noch stark nach ihrem frisch Erbrochenen roch. Bestar, der sein Schwert handhabte wie einen Zaun: bis hierhin und nicht weiter. Dann dieser eine besorgte, tief in ihn hineinreichende Blick, den Bestar Migal zuwarf. Migal, der Bestars Vater erschlagen hatte, um dem jüngeren Bestar das Leben zu retten. Migal, an dem zwei menschengroÃe Spinnen hingen wie tollwütige Kinder und angespitzte Zähne in ihn hineinschlugen, unbeeindruckt davon, dass die Wunden, die Migal ihnen zugefügt hatte, längst für drei bis vier Tode gereicht hätten. Kinjo, der schluchzte in jäh durchtrennter Zuneigung und das Nachfolgen ersehnte, das Ruhefinden und Nichtmehralleinesein. Timbare, wie er dort lag, nutzlos und vernachlässigbar, ein von allen guten Geistern, von seiner Seele verlassener Haufen. Ukas, dem sich zwei Klingen in die Seiten bohrten und der trotzdem noch die Kraft fand, seine Mörder mit stacheligen Fäusten an sich zu drücken, bis ihre schreienden Gesichter zu Brei zerschmolzen. Jacomer, der ohne seinen Bogen selbst zum Wilden wurde, zum Vierbeinigen, der sich mit seinen Zähnen und seinen Fingernägeln verteidigte. Ãber den Bogen, der sich im Gedärm eines Getöteten verheddert hatte, kam Rodraeg kurz auf Hellas, der in einer dunklen, engen Zelle, einem Sarg nicht unähnlich, seine Hinrichtung erwartete und den kahl geschorenen Schädel gegen das Nachwachsen der verfluchten braunen Haare wieder und wieder an der Zellenwand entlangschürfte. Tegden Baudo, der keinesfalls zu weit ging, sondern immer nur mit Strafe überzog, wer auch immer ihm zu nahe kam. Der Erleuchtete, dessen Licht matter und matter wurde. An seinem infernalischen Wüten war am ehesten abzulesen, dass die Schlacht verloren gehen würde. Niemand konnte, niemand durfte einen solchen Blutwirbel entfesseln, ohne selbst ein Teil davon zu werden. Aber immerhin: Dort, wo der Wirbel herrschte, regnete es. Selbst der Schatzfinder war an der Abwesenheit von Feuchtigkeit zugrunde gegangen. Dann Onouk. Die Rodraeg niemals schöner und begehrenswerter erschienen war als in diesem Sandstrich voller Körperlichkeit und Ekstase. Dennoch war alles daran falsch und verwerflich. Sie tötete und lächelte dabei sinnlich. Rodraeg verstand nicht, was das eine mit dem anderen zu tun haben konnte. Und Ijugis. Rodraegs verzerrtes Spiegelbild. Anführer einer Gruppe, die sich nach jeder Mission neu gründen musste, weil alle ihre
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