Die vergessene Frau
schaukelte gefährlich. Eigentlich wollte er die Frau nicht bewegen, aber er hatte Angst, dass die Klippe jeden Moment abbröckeln könnte, darum zog er die Wagentür auf und zerrte die Bewusstlose über die Ledersitze zu sich her, bis er sie aus dem Wagen heben konnte. Dabei roch er den scharfen Alkoholdunst in ihrem Atem.
Er trug die Frau über das Gras, bis sie hundert Meter vom Wagen entfernt waren, und legte sie dann auf dem Boden ab. Nachdem er ihren Puls geprüft und sich überzeugt hatte, dass sie selbstständig atmete, ging er zu seinem Streifenwagen, um nach einem Krankenwagen zu funken.
»Verkehrsunfall mit einer weiblichen Verletzten …«
Sobald Lily von Frannys Unfall erfuhr, raste sie zum Krankenhaus. Dummerweise war, als sie dort ankam, Max bei Franny und sprach eben mit dem Arzt, und nachdem sie keine Angehörige war, wollte ihr niemand verraten, was passiert war.
Während sie wartend im Gang saß, hörte sie einen Polizisten mit der Krankenschwester reden und schloss aus ihrer Unterhaltung, dass er als Erster am Unfallort gewesen war. Weil Lily Angst hatte, dass ihre Freundin wieder schlimme Schlagzeilen machen könnte, folgte sie dem Polizisten nach draußen.
»Verzeihung!«, rief sie, als er in seinen Streifenwagen steigen wollte.
Er drehte sich um. »Kann ich Ihnen helfen, Madam?«, fragte er höflich.
Sie eilte zu ihm. »Sie waren dabei, nicht wahr?«, versicherte sie sich leise, nachdem sie sich umgesehen hatte, ob sie niemand hörte. »Bei dem Unfall – dem von Frances Fitzgerald.«
Sofort verschloss sich seine Miene. »Darüber kann ich nicht sprechen«, sagte er und wollte wieder in seinen Wagen steigen.
Aber Lily legte die Hand auf seinen Arm, um ihn aufzuhalten. »Genau darum geht es mir. Ich möchte, dass Sie nicht über den Unfall sprechen.« Sie hielt ihm einen Hunderter hin. »Mit niemandem.«
Der Polizist blickte ärgerlich auf den Geldschein. »Was zum Teufel soll das werden?«
»Hören Sie«, meinte Lily leise, »mir liegt etwas an Franny, das ist alles. Und ich möchte nicht, dass dieser Skandal in der Presse breitgetreten wird.«
Officer Rafferty musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, sonst wäre er explodiert. Er war ein prinzipientreuer junger Mann, der seinen Job ernst nahm und nicht im Traum daran gedacht hätte, diese Geschichte an die Presse zu verscherbeln, und die Andeutung, dass er so etwas tun könnte, gefiel ihm gar nicht.
»Erstens lasse ich mich nicht bestechen«, belehrte er sie steif. »Zweitens würde ich bestimmt nichts herumerzählen, was mit meinem Job zusammenhängt.« Er beobachtete zufrieden, wie die Wangen der Blondine rot anliefen. »Und zuletzt«, ergänzte er leise, »sollten Ihnen ganz andere Dinge Sorgen machen als eine schlechte Presse, wenn Ihnen tatsächlich so viel an Ihrer Freundin liegt, wie Sie behaupten.«
Lily starrte ihn perplex an. »Wie meinen Sie das?«
Der Polizist zögerte, so als hätte er schon zu viel gesagt.
»Bitte«, drängte Lily, »erzählen Sie es mir.«
Er schien mit sich zu ringen, dann aber beschloss er, ihr zu offenbaren, was er beobachtet hatte. »Wie in solchen Fällen üblich«, erklärte er ihr, »habe ich den Straßenbelag untersucht, um festzustellen, wodurch der Unfall ausgelöst wurde. Es waren keine Ölflecken auf dem Asphalt und auch keine Reifenspuren zu finden. Nichts deutet darauf hin, dass sie die Herrschaft über das Fahrzeug verloren hat.«
Lily legte verwirrt die Stirn in Falten. »Was zum Teufel soll das heißen?«
Der Polizist schaute sie ernst an. »Für mich sieht es so aus, als hätte sie den Wagen absichtlich gegen die Leitplanke gesteuert. Ich glaube, Ihre Freundin wollte sich umbringen.«
Die Worte des State Trooper ließen Lily nicht mehr los. Darum beschloss sie ein paar Stunden später, Max beiseitezunehmen und ihm ihre Ängste anzuvertrauen. Frannys Mann hörte schweigend zu, bis die Schauspielerin gesagt hatte, was ihr auf dem Herzen lag.
»Es wäre mir lieber, wenn du nie wieder so über meine Frau sprechen würdest«, meinte er schließlich. »Solche Gerüchte verselbstständigen sich schnell, und bestimmt würde jemand, dem so viel an Frances liegt wie dir, nicht wollen, dass schlecht über sie gesprochen wird. Wie du selbst weißt, mag man im Studio keine Unruhestifter, und ich würde nicht wollen, dass dich jemand dafür hält.«
Er sagte das so sanft, dass die Drohung kaum zu hören war. Dennoch war es eine: Falls Lily das Thema noch einmal ansprach, würde
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