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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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erzählte seinem Vater, was passiert war.
    Seamus Quinn war schlauer als sein Sohn. Er hatte beobachtet, wie gebrechlich Theresa geworden war, und meldete der Garda seine Befürchtung, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte.
    Der junge Constable Matthew O’Donnell wurde zu ihrer Kate geschickt. Wie die meisten im Dorf kannte er Theresa vom Sehen und hatte sie gegrüßt, wenn sie sich zufällig begegnet waren.
    Als er sich dem Haus näherte, betrachtete er die Umgebung mit geübtem Blick und stellte sofort fest, dass der Garten verwildert war. Es war eine Schande, dass Theresa keine Verwandten oder Nachbarn hatte, die sich um sie kümmerten. Er klopfte ein paarmal an die Haustür, aber niemand öffnete ihm. Er trat zurück, schaute kurz nach oben und meinte dabei zu sehen, wie sich im Obergeschoss ein Vorhang bewegte. Matthew war nur ein paar Jahre älter als Ryan – auch wenn er anders als der Sohn des Krämers ein vernünftiger, bodenständiger Mensch war –, und selbst ihn überlief ein leiser Schauer, während er das Gebäude umrundete, um festzustellen, ob er irgendwie ins Haus kam. Die Landschaft war leer und still, nur leises Vogelgezwitscher war zu hören.
    Schließlich drückte er einfach die Klinke an der Haustür und stellte fest, dass sie offen war. Er hatte zwar ein schlechtes Gewissen, weil er Theresa Healeys Haus ungebeten betrat, allerdings war ihm klar, dass er nicht einfach weggehen konnte. Drinnen wirkte das Haus überraschend sauber, doch die absolute Stille konnte nur bedeuten, dass etwas im Argen lag.
    Matthew ging nach oben. Er war schon in einigen ähnlichen Katen gewesen und vermutete, dass sich das Schlafzimmer auf der Rückseite des Hauses befand, von wo aus man auf den Garten sah.
    Sobald er die Tür öffnete, schlug ihm der Verwesungsgestank entgegen. Nase und Mund bedeckend trat er an das Bett. Theresa war völlig grau, und so wie sie stank, musste sie schon einige Tage tot sein. Mit einem stillen Gebet zog er die Decke über ihr Gesicht.
    »Lassen Sie sie in Ruhe!«
    Erschrocken zuckte er zurück, überzeugt, dass eine Todesfee hinter ihm stand. Aber im nächsten Moment hatte er sich wieder gefasst. Er drehte sich um und blickte auf ein großes, dünnes Mädchen, das ihn wütend anfunkelte.
    »Lassen Sie sie in Ruhe, habe ich gesagt!«, wiederholte die Kleine, und dann brach sie in Tränen aus.
    Die Polizei brauchte zwei weitere Tage, um Theresas Verwandte ausfindig zu machen. Bis dahin passte Matthews Mutter auf das Mädchen auf. Nachdem ihr Mann vor Kurzem gestorben war und die Kinder inzwischen das Haus verlassen hatten, freute sie sich, ihr leeres Nest füllen zu können. Sie brauchte nur einen Blick auf die dünne Elendsgestalt mit den leeren Augen zu werfen und wollte ihr sofort etwas Gutes tun. Das Kind brachte noch seinen Namen heraus – Cara –, aber danach verstummte es.
    »Die arme Kleine steht bestimmt unter Schock.« In Mrs O’Donnells Augen standen Tränen des Mitleids. »Stell dir nur vor, tagelang neben einer Toten leben zu müssen.«
    Theresas älteste Tochter Margaret – die sich nicht mehr Maggie nannte, seit sie eine verheiratete Frau war und eigene Kinder hatte –, tauchte schließlich auch auf, eine Woche nachdem der Leichnam ihrer Mutter entdeckt worden war. Früher habe sie leider nicht kommen können, erklärte sie, als sie in die Wachstube gesegelt kam. Sie sei eine viel beschäftigte Person, ein angesehenes Mitglied ihrer Gemeinde und habe Pflichten, denen sie sich nicht entziehen könne, wie zum Beispiel die Organisation eines Kuchenverkaufs für die Schulfeier ihrer Kinder, den Blumenschmuck in der Kirche und die Führung ihrer Gebetsgruppe, die den Kreuzweg beten wollte.
    »Und jetzt muss ich mich auch noch hiermit herumschlagen«, erklärte sie mit einem märtyrerhaften Seufzen.
    »Wissen Sie etwas über das Kind, das bei ihr gewohnt hat?«, fragte Matthew, der sich ihre Klagen nicht länger anhören wollte.
    Margaret sah ihn scharf an. »Ein Kind?«, wiederholte sie, nur um sich zu überzeugen, dass sie sich nicht verhört hatte.
    »J…ja.« Der junge Polizist schrumpfte unter dem stechenden Blick der Frau zusammen. »Ich habe es entdeckt, als ich den Leichnam gefunden habe. Soweit wir sagen können, war das Mädchen sechs oder sieben Tage mit der Toten allein. Ein merkwürdiges kleines Ding. Hat bisher keinen Mucks von sich gegeben, aber so, wie es aussieht, müsste es elf oder zwölf sein.«
    Etwas klickte in Margarets Kopf. Das Alter des

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