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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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fragte tonlos: »Hoffst du etwa darauf? Dass ich mich aus dem Fenster stürze, so wie sie?«
    Er wurde bleich. »Wie kannst du so etwas auch nur denken?«
    Erst da, als sie Max’ tiefe Bestürzung sah, begriff Franny, was sie gerade zu ihrem Mann gesagt hatte. Es war ein neuer Tiefpunkt in ihrer sich ständig verschlechternden Beziehung. In letzter Zeit schienen sie nur noch zu streiten; in körperlicher Hinsicht existierte ihre einst so leidenschaftliche Romanze praktisch nicht mehr. Und sie wusste genau, dass das vor allem an ihr lag. Sie wies Max immer wieder ab; ständig machte sie ihm Vorhaltungen. In diesem Augenblick verflog ihr Zorn, und sie sackte schluchzend auf den Boden. »Was ist nur mit mir los?«, weinte sie. »Ich weiß wirklich nicht, warum ich immer so bin.«
    Max nahm Franny in die Arme. »Ich habe keine Ahnung, was hier passiert, mein Herz.« Er schloss seine Frau in die Arme und strich ihr über die Haare. »Aber ich werde der Sache auf den Grund gehen, das verspreche ich dir.«
    Ein paar Monate nach jenem Mittagessen im Brown Derby keimte in Lily der Verdacht, dass Franny trank. Sie wusste, dass der Verlust des Babys ihre Freundin schwer getroffen hatte – genau genommen hatte sie Franny seit der Totgeburt vor inzwischen fast sieben Monaten kaum mehr gesehen. Aber Lily hatte Gerüchte gehört. Obwohl Franny nicht mehr als Schauspielerin arbeitete, war sie als Max’ Ehefrau immer noch interessant für die Presse. Fast jede Woche gab es im Confidential einen Artikel über Frannys mutmaßlichen Alkoholkonsum oder über ihr zunehmend bizarres Verhalten. Ganz offensichtlich ließ jemand aus dem Haushalt die Informationen durchsickern. Nach der Sache mit dem Gärtner hatte Max eines der Hausmädchen hinausgeworfen – hatte er dabei vielleicht die Falsche erwischt? Außerdem kreisten noch mehr merkwürdige Gerüchte um den Haushalt der Stanhopes. Max’ Tochter Olivia, schon immer ein sehr empfindsamer Mensch, sei angeblich in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden. Nur Max’ Sohn Gabriel entzog sich dem Blick der Öffentlichkeit. Er war inzwischen in Stanford, weit entfernt von dem Drama, das sich auf Stanhope Castle abspielte.
    Aber obwohl ständig über Franny getuschelt wurde, hatte Lily noch nie mit eigenen Augen gesehen, dass ihre Freundin betrunken gewesen wäre. Dann, eines schönen Tages im Sommer 1959, tauchte Lily zu einem Überraschungsbesuch in Stanhope Castle auf. Jeden letzten Freitag im Monat waren die beiden Frauen fest verabredet, und Franny hatte noch keinen einzigen Termin ausfallen lassen. Aber diesmal bekam Lily von dieser grässlichen Haushälterin zu hören, dass Mrs Stanhope nicht zu sprechen sei.
    »Sie schläft«, erklärte sie Lily, die vor der Haustür stand.
    »Dann wecken Sie sie auf«, antwortete die blonde Schauspielerin pragmatisch.
    Die grimmige Haushälterin wollte sie offenkundig nicht ins Haus lassen, doch Lily war entschlossen, ihre Freundin zu sehen. Sie drängte sich an der alten Schachtel vorbei und verlangte dann energisch, dass Hilda nach oben ging und ihre Herrin weckte.
    Erst nach einer halben Stunde hörte Lily Schritte auf der Treppe und stand auf, um ihre Freundin zu begrüßen. Aber als sie Franny sah, erstarben ihr die Worte auf den Lippen. »Mein Gott!«, entfuhr es ihr. »Was zum Teufel ist mit dir los?«
    Franny schaute sie verdattert an. »Wie meinst du das?«
    Lily starrte ihre Freundin sprachlos an. Ihr Haar, eigentlich Frannys ganzer Stolz, war unfrisiert, und die roten Strähnen waren zu einem großen Nest verfilzt, das dringend einen Kamm gebraucht hätte. Offenbar hatte sie sich bemüht, Make-up aufzulegen, um etwas lebendiger zu wirken, doch die Grundierung war viel zu dick aufgetragen, das Rouge auf den Wangen leuchtete unnatürlich, und der blutrote Lippenstift verlieh dem Gesicht, statt einen farbigen Akzent zu setzen, etwas Groteskes. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, etwas anzuziehen. Stattdessen trug sie ein bodenlanges Nachthemd aus violettem Satin und einen dazu passenden Spitzenmorgenmantel.
    Aber Franny hatte offenbar nicht den Eindruck, dass etwas mit ihrem Aussehen nicht stimmte. Also beschloss Lily, ihr Entsetzen zu überspielen, und begrüßte sie möglichst fröhlich: »Oh, ich habe dich neulich auf Hunters Party vermisst. Warum bist du nicht aufgetaucht?«
    »Ach.« Franny schwenkte unbestimmt die Hand. »Es gab da ein dummes Missverständnis.«
    Sie kam kurz ins Straucheln, und Lily streckte die Hand aus,

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