Die vergessene Frau
hatte sich alles bestens gefügt. Doch in letzter Zeit schien Danny ihre häusliche Idylle sattzuhaben. Er kam ihr rastlos und gelangweilt vor – und beides beschränkte sich nicht auf sie. Sie hatte den Eindruck, dass er sich auch über Finnbar ärgerte. Danny war nicht länger zufrieden mit dem, was er als Anteil kassierte, und hatte mehr als einmal bemerkt, dass er am liebsten etwas Eigenes aufziehen würde. Das war gefährliches Gerede. Falls es Finnbar oder seinen Geschäftspartnern zu Ohren kommen sollte, hätten sie keine Skrupel, ihm eine schmerzhafte Lektion zu erteilen. Aber Danny hörte ihr nicht zu, wenn sie ihn zu warnen versuchte. Wie immer hielt er sich für unbesiegbar. Und das machte ihr mehr Sorgen als alle Ninas auf der Welt.
Am Sonntag gingen Cara und Danny wie üblich zum Mittagessen zu seiner Mutter. Danny kam den ganzen Nachmittag nicht zur Ruhe; er wirkte gedankenabwesend und überließ es Cara und Annie, das Gespräch in Gang zu halten. Die Stimmung blieb das Essen über angespannt, und nachdem niemand genau wusste, was eigentlich los war, konnte auch niemand die Luft reinigen.
Sobald sie das Besteck beiseitegelegt hatten, sprang Danny auf. »Ich gehe Kippen holen.«
Cara sah ihm nach und spürte, wie ihr flau wurde.
Annie schaute sie mitfühlend an. »Ich mache uns eine Tasse Tee«, sagte sie.
Die beiden Frauen saßen Tee trinkend in der Küche, sahen abwechselnd auf die Uhr und warteten darauf, dass Danny zurückkam. Um sechs war offensichtlich, dass er nicht mehr auftauchen würde.
»So viel zu unserem netten Sonntagsessen.« Cara wusste, dass sie verbittert klang, doch das war ihr egal.
»Ach, Herzchen.« Annie blickte sie traurig an. »Du weißt, dass du mir wie eine Tochter bist und dass ich überglücklich wäre, wenn Danny mit dir eine Familie gründen würde. Aber ich kenne meinen Jungen. Er ist keiner, der heiratet. Es freut mich wirklich, dass ihr euch gefunden habt, aber ich kann trotzdem nicht guten Gewissens behaupten, dass ich für euch ein Ende wie im Märchen voraussehe. Du etwa?«
Cara wusste genau, was Annie meinte, doch sie wollte nichts davon hören. Nicht jetzt.
»Danke für den Rat«, meinte sie schroff. »Wir werden ja sehen, was dabei herauskommt, oder?«
Dann verabschiedete sie sich unter dem Vorwand, dass sie nach Hause müsse. Annie brachte sie zur Tür. Mehr als warnen konnte sie das Mädchen nicht. Eigentlich hoffte sie, dass sie sich täuschte. Allerdings kannte sie ihren Sohn gut genug, um zu wissen, dass er sich nur für einen Menschen interessierte – sich selbst. Cara brauchte einfach noch etwas Zeit, damit ihr die Augen aufgingen.
Wenig später war Cara zurück in ihrer leeren und dunklen Wohnung. Als sie Dannys Schlüssel endlich im Schloss hörte, war es schon fast Mitternacht. Sie sprang vom Sofa auf und lief zur Tür, um ihn, die Hände in die Hüften gestemmt, zur Rede zu stellen.
»Wo hast du verflucht noch mal gesteckt?«, fuhr sie ihn an.
Er schob sich an ihr vorbei. »Hab ein paar Leute getroffen. Und noch was mit ihnen getrunken.«
Cara folgte ihm, entschlossen, diesmal nicht klein beizugeben. »War Nina auch dabei?« Sie kannte die Antwort bereits – sie konnte das Parfüm des Mädchens riechen: Das billige Blumenaroma stach ihr in der Nase.
Danny sah sie kalt an. »Ja, war sie. Und viele andere auch. Hör auf, dich so verflucht paranoid aufzuführen. Ich kriege noch Kopfschmerzen.«
Er beugte sich vor, schaltete den Fernseher ein und ließ sich in den Sessel fallen. Nachdem Cara nicht nachweisen konnte, ob er sie anlog, beschloss sie, nicht weiter nachzubohren, sondern verschwand in die Küche und holte den Teller mit Resten aus dem Kühlschrank. »Das hat deine Mum mir für dich mitgegeben«, rief sie ihm durch die kleine Durchreiche zu. »Soll ich es warm machen?«
Er schaute nicht einmal zu ihr her. »Nein, ich hab unterwegs was gefuttert.«
In diesem Moment wurde ihr schmerzhaft bewusst, was sie insgeheim längst wusste: Er respektierte sie so wenig, dass er den ganzen Abend mit Nina ausgehen konnte und dennoch überzeugt war, danach zu ihr zurückkommen zu können. Plötzlich erkannte sie, dass sich Danny nie ändern würde. So würde ihr Leben aussehen, wenn sie weiter mit ihm zusammenblieb – sie würde allein daheim auf einen Mann warten, der vielleicht zu ihr heimkehren würde oder auch nicht.
In diesem erkenntnisreichen Sekundenbruchteil schlug ihre Laune um.
»Du Schwein!«, knurrte sie so leise, dass er sie
Weitere Kostenlose Bücher