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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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und zwar innen wie außen. Franny konnte sich kaum erinnern, wann ihr das letzte Mal wirklich warm gewesen war. Inzwischen zog sie immer alles an, was sie besaß, und ihr war dennoch kalt.
    Am schlimmsten aber war, dass all das zu nichts geführt hatte. Sie hatte Sean nicht finden können – sie hatte sich umgehört, doch niemand hatte von ihm gehört, und niemand wollte ihr helfen; alle hatten mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. Jetzt saß sie in der Falle. Ihr Geld ging allmählich zur Neige, und sie hatte keinen Zufluchtsort, niemanden, an den sie sich wenden konnte. Nach Hause konnte sie auf keinen Fall zurückkehren, nicht in ihrer gegenwärtigen Verfassung …
    Poch-poch-poch. Die dünne Tür klapperte unter den kräftigen Schlägen der Hauswirtin, und das neuerliche Klopfen riss Franny aus ihren Gedanken.
    »Nur dass Sie es wissen«, schallte die Stimme durch die Tür, »ich gehe hier nicht weg, bis Sie aufgemacht haben.«
    An ihrem Tonfall erkannte Franny, dass sie die Frau vor der Tür lieber nicht auf die Probe stellen sollte. Widerstrebend stand sie auf und ließ die Wirtin herein.
    Als die junge Frau aufmachte, erschrak Annie über ihr Aussehen. Zuletzt hatte sie Frances Healey vor einem Monat gesehen, direkt bei ihrer Ankunft. Die Mieter kamen und gingen so schnell, dass die Hauswirtin sie kaum noch wahrnahm, aber das hübsche irische Mädchen mit den vollen rotbraunen Haaren und den großen grünen Augen war ihr aufgefallen. Annie wusste, dass ihr die junge Frau seither möglichst aus dem Weg gegangen war; sie vermietete nun schon seit zwei Jahren und kannte inzwischen alle Tricks. Sie hatte ihre Mieterin in Frieden gelassen, weil sie geglaubt hatte, dass sie bald wieder auf die Beine kommen würde, doch als Annie sie nun sah, begriff sie, dass es mit ihr kein gutes Ende nehmen würde. Ihr niedliches Gesicht sah ausgemergelt aus, und sie schien abgenommen zu haben. Sie brauchte etwas Anständiges zu essen.
    Nicht dass das Annies Problem gewesen wäre. Wenn Frances Healey die Miete nicht zahlen konnte, würde die Wirtin sie keine weitere Nacht hier wohnen lassen.
    »Sie sind eine Woche im Rückstand.« Annie nahm kein Blatt vor den Mund. »Und nachdem Sie mir immerzu aus dem Weg gehen, nehme ich an, dass Sie kein Geld haben?«
    Während Annie das sagte, trat das Mädchen in das matte Licht im Treppenhaus. Seine Augen waren rot und feucht, und das erinnerte die Hauswirtin an den eigentlichen Grund für ihren Besuch.
    »Sie haben recht, ich habe kein Geld«, gestand die junge Frau in ihrem weichen südirischen Tonfall. »Aber wenn Sie mir noch eine Woche Zeit geben, habe ich es gewiss beisammen.«
    »Tut mir leid«, beschied ihr Annie knapp. »Aber ich habe Sie vom ersten Tag an gewarnt – wer nicht zahlen kann, fliegt raus. Sie haben eine halbe Stunde.« Annie wollte sich schon wegdrehen, doch in diesem Moment legte das Mädchen seine kleine Hand auf ihren Arm und hielt sie auf.
    »Aber ich weiß nicht, wohin ich gehen soll.«
    »Das ist nicht mein Problem.« Die ältere Frau gab sich Mühe, möglichst barsch zu klingen. Sie hatte schon zu viele Trauergeschichten gehört. Wenn sie jedes Mal nachgegeben hätte, hätte sie ihr Haus schon längst verkaufen müssen. »Wenn Sie mich nicht zum Narren gehalten hätten, hätte ich das Zimmer schon seit einer Woche an jemand anderen vermieten können. Ich muss auch meine Rechnungen bezahlen, Missy. Und meine Kinder brauchen etwas zu essen.«
    Daraufhin sah das Mädchen sie elend an. »Bitte entschuldigen Sie. Das habe ich mir nicht überlegt. Ein Pfund habe ich noch übrig.« Sie wühlte in den Manteltaschen und streckte dann die Hand aus, um den Schein vorzuzeigen, so als wollte es beweisen, dass sie nicht log. »Aber das Geld brauche ich selbst«, sagte sie hastig, schloss die Faust und schob sie wieder in die Tasche, als hätte sie Angst, dass Annie ihm den Schein aus den Fingern reißen könnte.
    Die junge Frau wirkte so zerknirscht, dass Annie merkte, wie sie weich zu werden drohte. Sie erlebte oft, dass man sie zu beschwatzen versuchte, doch bei diesem Mädchen war das anders. Wider besseres Wissen wollte die ältere Frau plötzlich mehr über diese Miss Healey und den Grund für ihre Reise nach England erfahren.
    »Und wozu brauchen Sie das Geld?«, fragte die Hauswirtin mürrisch.
    »Ich … ich brauche es eben, ganz einfach«, antwortete das Mädchen ausweichend.
    An ihrer argwöhnischen Miene erkannte Annie genau, warum Frances Healey nach London

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