Die vergessene Frau
den Gläsern an den Pool, wo sie plaudernd Cocktails tranken, während Lilys Jungmann in einem leopardengemusterten Tanga seine Bahnen durch das Becken zog.
Lily wusste nur Gutes über ihre alte Freundin zu berichten und schwelgte in Erinnerungen an die wilden Zeiten, die sie gemeinsam erlebt hatten.
»Doch dann änderte sich alles«, schloss sie traurig. »Es ist immer die gleiche Geschichte, nicht wahr? Zwei Mädchen, die ein Herz und eine Seele sind, bis ein Mann ins Spiel kommt. Und dieser Mann war Maximilian Stanhope.«
»Ach so?«, fragte Cara möglichst beiläufig.
Lily schüttelte den Kopf. »Ich habe nie verstanden, was die beiden aneinander fanden. Sie war wie ein Schmetterling, der von Blüte zu Blüte flattert, und so eine Frau wollte Max bestimmt nicht, selbst wenn ihn genau das anfänglich angezogen hatte. Er konnte es nicht ausstehen, wenn sie ausging oder flirtete – er fühlte sich dadurch gedemütigt. Aber Franny konnte einfach nicht anders, bei Gott. Flirten war für sie so natürlich wie atmen.« Sie lächelte nachsichtig.
»Natürlich versuchte er ihr die Flügel zu stutzen«, fuhr sie fort. »Irgendwann ging sie gar nicht mehr mit uns aus, weil sie wusste, dass das Ärger geben würde. Aber immer nur allein da draußen in diesem Riesenkasten zu sitzen brachte sie um. Ich nehme an, deshalb wollte sie unbedingt schwanger werden: damit sie endlich etwas zu tun hatte.«
»Ich nehme an, das erklärt, warum sie in eine Depression fiel, nachdem sie das Baby verloren hatte«, bohrte Cara nach. »Das wird doch behauptet, oder? Dass sie sich wegen Depressionen das Leben nahm?«
Lily schnaubte. »Also bitte.«
»Sie glauben das nicht.« Cara hatte das Gefühl, endlich auf etwas gestoßen zu sein, und merkte, wie ihr Herz augenblicklich schneller zu schlagen begann.
»Franny hat sich bestimmt nicht wegen ihrer Fehlgeburt das Leben genommen. Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich hatte sie das tief getroffen, aber das war es keinesfalls allein. Damals war Franny schon seit Monaten irgendwie komisch. Sie war wie erloschen und so traurig, so vergesslich; als wäre sie mit dem Kopf ständig woanders. Und« – Lily senkte vielsagend die Stimme – »sie hatte am ganzen Körper blaue Flecken.«
Das war eine ganz neue Wendung. Cara stürzte sich darauf. »Sie glauben, Max hat sie geschlagen?«
Lily zuckte mit den Achseln. »Sie hat sich nie genauer darüber ausgelassen.« Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, was ihrer Meinung nach vorgefallen war.
»Aber darüber wurde nie berichtet.«
Wieder ein kurzes Schnauben. »Wen wundert’s? Damals hatte Max sie alle in der Tasche.«
»Sie glauben, damals wurde etwas vertuscht? Sie glauben, sie hat sich nicht selbst umgebracht?«
Lily sah ihr offen in die Augen. »Ich weiß nicht, was in den Monaten davor in diesem Haus vorgefallen ist. Aber ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass Maximilian Stanhope wenigstens zum Teil für ihren Tod verantwortlich ist.«
Trotz der Hitze begann Cara zu frösteln.
Lily war eine exzellente Informationsquelle. Sie schien alles über die Stanhopes zu wissen.
»Soweit ich gehört habe, hat Max’ Sohn seit Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen. Gabriel – so heißt er doch, nicht wahr? –, also Gabriel ist gleich nach Frannys Tod untergetaucht. In Europa, wenn ich mich nicht irre. Oder war es Afrika? Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Dafür erinnere ich mich sehr wohl, dass er nicht einmal bis zur Beerdigung blieb. Ich weiß, er war nie besonders von Franny angetan, aber trotzdem … so viel Respekt hätte er ihr dennoch erweisen sollen. Aber da hatte er, warum auch immer, das Land bereits wieder verlassen und ist seither nicht wieder zurückgekehrt, soweit ich gehört habe. Er hat nie wieder mit Max gesprochen. Vielleicht hat auch Max nie wieder mit ihm gesprochen – wer damals mit wem brach, weiß niemand so genau. Ich weiß nur, dass die beiden seit Jahren kein Wort miteinander gewechselt haben. Da fragt man sich doch, oder? Was hätte so einen Keil zwischen die beiden treiben können?«
Cara nickte immer wieder und notierte gleichzeitig jedes Detail.
»Und dann ist da noch Max’ Tochter, die arme Olivia«, fuhr Lily fort. »Sie war immer ein so zerbrechliches kleines Ding. Soweit ich mich entsinne, war sie jahrelang in einem Hospital untergebracht. Ich weiß zwar nicht weswegen, aber anscheinend hat sie sich nie wirklich erholt. Seither muss sie rund um die Uhr gepflegt werden – von
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