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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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Sekunde ihren Entschluss ändern könnte, wenn sie sich voneinander verabschiedeten. Während sie im Bug des Schiffes stand und die eisige Irische See in ihr Gesicht gischtete, überlegte sie ernsthaft umzudrehen. Aber im Innersten wusste Franny genau, dass sie es nicht übers Herz bringen würde, ihren Traum von Hollywood zu begraben. So schwer es auch war, von ihrer Tochter getrennt zu sein, dies war ihre lang ersehnte Chance, ein Filmstar zu werden, und die konnte sie sich unmöglich entgehen lassen. Außerdem wurde sie nicht von rein selbstsüchtigen Beweggründen geleitet, versicherte sie sich hastig; wenn sie Erfolg hatte, würde sie reich werden, und dieses Geld bedeutete, dass sie ihr Leben und das ihrer Familie verbessern und Cara alles geben konnte, was sie sich je gewünscht hatte.
    Franny blieb nur einen Tag in England, bevor sie nach Amerika flog, doch es waren einsame vierundzwanzig Stunden. Sie war bei Annie ausgezogen, nachdem sie ihrer Freundin erklärt hatte, sie würde nach Irland zurückkehren. Franny log nicht gern, aber sie wollte niemandem von ihrem Glück erzählen. Bestimmt würden die Menschen sie beneiden, und sie wollte nicht, dass später jemand aus ihrer Vergangenheit von ihrem Leben als ledige Mutter erzählte. Bis ein Film mit ihr herauskam, hatte man sie im East End bestimmt vergessen. Sie verließ sich darauf, dass niemand damit rechnen würde, ihr Gesicht irgendwann auf der Leinwand zu sehen, und darum auch niemand vermutete, dass sie in einem Film mitspielte.
    Es war ihr nicht leichtgefallen, sich von Annie und ihren Kindern zu verabschieden. Franny wäre der Frau, die ihr in ihrer tiefsten Not geholfen hatte, immer dankbar, und die Connollys waren Cara und ihr in den letzten Jahren eine echte Familie gewesen. Aber Vergangenem nachzuhängen war nutzlos. Beide Frauen hatten in den vergangenen Monaten gespürt, wie sich das Band zwischen ihnen gelockert hatte, und so wie früher würde es nie wieder werden. Nun stand ein Mann zwischen ihnen, und Annie hatte sich entschieden, lieber bei Liam zu bleiben. Er war noch am Tag von Frannys und Caras Abreise eingezogen.
    Franny verbrachte ihre letzte Nacht in London in einer schmuddeligen Pension in der Nähe der Euston Station. Als sie am folgenden Tag zum Flughafen fuhr, bepackt mit einem kleinen braunen Koffer, der all ihre weltlichen Güter enthielt, schwor sie sich, alles zu tun, damit sie es an die Spitze schaffte.
    Auf den ersten Blick zeigte sich Hollywood genauso glamourös, wie Franny es sich vorgestellt hatte. Sie war auf eine D6 Clipper Liberty Bell der Pan Am gebucht, und wenn das für die Touristenklasse ausgelegte Flugzeug vielleicht auch nicht den gleichen Luxus bot wie der Stratocruiser, so war der Flug für Franny dennoch ein hypnotisierendes Erlebnis: vom Röhren der Propeller beim Start bis zu den elegant frisierten Stewardessen, die in himmelblauen Uniformen im Gang auf und ab spazierten. Bei der Ankunft in Los Angeles erschien ihr das Flughafengebäude mit dem vielen Glas und Chrom wie der Gipfel der Modernität. Als sie ins Freie trat, spürte sie die warme Abendluft auf der Haut, sah die Palmen am Straßenrand und begriff, dass sie so weit von Irland und dem East End entfernt war, wie sie nur hoffen konnte.
    Nach diesem erhabenen Gedanken ging es bergab. Eine Weile blieb sie unschlüssig vor dem Flughafengebäude stehen und schwitzte in ihrem englischen Wollkostüm, bis sie schließlich begriff, dass das Studio keinen Wagen geschickt hatte und sie sich ein Taxi nehmen musste. Der Fahrer war ungemein freundlich und bestand darauf, als er hörte, dass sie ihr Glück beim Film probieren wollte, sie am Hollywoodzeichen vorbeizufahren. Mit großem Vergnügen erzählte er ihr, dass sich im Jahr 1932 das gescheiterte Starlet Peg Entwhistle von den Buchstaben in den Tod gestürzt hatte.
    »Springt einfach vom H, ist das zu glauben?« Er schüttelte den Kopf, als wäre ein solcher Vorfall nicht zu erklären. »Also, Sie werden nichts so Dummes tun, okay, Puppengesicht?« Er zwinkerte Franny im Rückspiegel zu. »Ein hübsches Fohlen wie Sie kann immer noch irgendeinen Schmock finden, der Sie versorgt, falls es beim Film nicht läuft.«
    Danach setzte er sie in der Sunset Lodge ab. Erst als er versuchte, ihr ein kleines Vermögen abzunehmen, begriff Franny, dass er ohne Taxameter gefahren war. Sie gab ihm, so viel sie entbehren konnte, und er fuhr glücklich davon. Franny war bewusst, dass er sie übers Ohr gehauen hatte, aber

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