Die vergessene Frau
eifrig. Sie hatte es zwar nicht eilig, Clifford wiederzusehen, doch er war ihre einzige Verbindung ins Filmgeschäft, und darum berief sie sich bereitwillig auf ihn. »Ja, er hat mich zu den Probeaufnahmen geschickt.«
»Hm.« Dem Chef des Besetzungsbüros imponierte das nicht sonderlich. Clifford hatte im Studio den Ruf, seine Stellung auszunutzen, um Mädchen in sein Bett zu locken. Als Familienmensch hatte Lloyd nichts für Schäferstündchen auf der Besetzungscouch übrig. Er hatte sich die Probeaufnahmen mit Franny Healey angesehen, und sie mochte zwar etwas haben, aber er würde sie nicht einsetzen, bevor sie sich bewiesen hatte. »Dann wollen wir mal sehen, ob Sie das Zeug haben, in dieser Stadt zu bestehen.«
Lloyd hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass es nicht leicht sein würde, ein Star zu werden. Franny würde vieles ändern müssen – angefangen mit ihrem Namen.
»Das passt überhaupt nicht. Franny Healey ist längst nicht einprägsam genug.« Er dachte kurz nach. »Sie heißen doch bestimmt nicht wirklich Franny. Wofür steht das?«
»Frances.«
Sein Gesicht hellte sich auf. »Frances. Mmmmm – schon viel besser. Also, was passt zu Frances? Etwas Irisches, aber mit Klasse …« Er überlegte kurz. »Wie wäre es mit Fitzgerald?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, sagte er: »Frances Fitzgerald … Ja, das könnte mir gefallen. Was halten Sie davon?«
»Klingt wunderbar.« Sie würde bestimmt nicht widersprechen. Sie würde alles beherzigen, was er ihr riet. Der nächste Punkt war ihr Aussehen. Sie musste sich mitten im Zimmer aufstellen, während er sie langsam umkreiste und sie von Kopf bis Fuß in Augenschein nahm. Sein scharfer Blick hatte nichts Erotisches: Er begutachtete sie völlig gefühllos, so wie ihr Vater früher eine junge Kuh, die er eventuell kaufen wollte. Es hätte sie nicht überrascht, wenn er sich vor ihr aufgebaut und ihr Gebiss untersucht hätte.
Nach einer gründlichen Inspektion urteilte Lloyd, dass im ästhetischen Sinn kaum etwas an ihr auszusetzen sei – »vielleicht könnte die Nase kleiner sein, aber das ist vorerst kein Thema« –, dass sie sich allerdings unbedingt die Haare färben sollte.
»Blond?«, fragte sie hoffnungsvoll und sah sich im Geist schon als kühle, elegante Blondine wie Grace Kelly. Doch noch während sie das Wort aussprach, war ihr klar, dass sie nie so werden würde – dafür war sie zu üppig, zu natürlich.
»Herrgott, nein!« Er überlegte kurz. »Ein tieferes Rot wäre besser, eine lebendigere Farbe als die hier, damit wir diesen Maureen-O’Hara-Look unterstreichen. Also ja, Rot wäre gut. Ich werde Sie zu unserem Studiofriseur schicken. Und wir müssen etwas wegen Ihrer Kleider unternehmen.«
Überrascht über diesen Kommentar sah Franny an sich herab. Sie trug ihre allerbesten Sachen: ein schickes Kostüm in Dunkelgrün mit einem dazu passenden Hütchen. Es waren abgelegte Sachen von einer der großen Darstellerinnen im Victory Club.
»Dieses Grün steht Ihnen ausgezeichnet«, erklärte Lloyd, »aber das Kleid ist einfach zu billig. Bevor Sie tatsächlich in die Zeitung kommen, brauchen Sie unbedingt etwas Schickeres.«
Als Nächstes wurde ihr Dialekt geopfert. Sie sollte zwar irisch aussehen, jedoch keinesfalls so klingen, weil »die Hälfte der Zuschauer kein Wort von dem verstehen wird, was Sie da sagen«. Stattdessen sollte sie sich einen neutraleren, schwer einzuordnenden Tonfall antrainieren, ähnlich wie Audrey Hepburn.
»Ist das ein Problem?«
Franny, die schon immer eine gute Schauspielerin gewesen war, erwiderte in ihrer Meinung nach makellosem Ostküstenenglisch: »Das ist überhaupt kein Problem.«
Er nickte ernst. »Schon besser. Aber unser Sprachlehrer wird das noch abschleifen.«
Zuletzt wollte er erfahren, aus welchen Verhältnissen sie kam und ob es etwas Wichtiges oder Besonderes über sie zu wissen gebe. »Es ist immer gut, wenn unsere Presseabteilung etwas zum Arbeiten hat, einen Ansatzpunkt für die Presse. Gibt es also etwas, das Sie von anderen Menschen abhebt und das ich wissen sollte?«
»Ich glaube nicht.«
Lloyd seufzte, sichtlich verärgert, weil sie ihn die ganze Arbeit tun ließ. »Was ist mit Ihrer Familie? Sie haben doch bestimmt jemanden zu Hause?«
»Also …« Franny zögerte, weil sie nach Cliffords Reaktion unsicher war, ob sie von Cara erzählen sollte. Aber was hätte sie sonst sagen sollen? »Ich habe ein kleines Mädchen. Es ist sieben.«
Llyods Lächeln verblasste. »Ach so?« Er
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