Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
Vom Netzwerk:
helfen würde, ging sie in die Küche. Sie setzte sich an den Tisch, um etwas zu trinken. Fünf Minuten später fühlte sie sich etwas besser und beschloss, wieder nach draußen zu gehen. Aber als sie aufstand, sackte ihr das Blut aus dem Kopf, und ihr wurde so schwindlig, dass ihr das Glas aus der Hand rutschte und zerplatzte. Sie sah auf den Boden und begriff, dass sie die Scherben so schnell wie möglich wegräumen musste. Doch sie fühlte sich so krank und elend. Vielleicht sollte sie sich davor kurz hinlegen.
    Sie stolperte in die kleine Stube und legte sich auf das Zweisitzersofa. Die Wolle kratzte und war ungemütlich, aber Cara war zu müde, als dass sie das noch gekümmert hätte. Über der Rückenlehne lag eine Decke, wahrscheinlich, um die durchgewetzten Stellen im Polster zu verdecken. Jetzt zog Cara sie über ihren Leib. Dann rollte sie sich zusammen und schlief ein.
    Eine grobe Hand rüttelte Cara wach. Zum zweiten Mal an diesem Tag schreckte sie verwirrt und orientierungslos aus dem Schlaf. Ihre Augen brauchten ein paar Sekunden, um wieder klar zu sehen, aber als sie in das zornige Gesicht ihrer Großmutter blickte, war sie schlagartig hellwach.
    »Du böses, böses Kind!«, donnerte Theresa. »Wie kannst du es wagen, dich schlafen zu legen, wenn du noch so wenige Karotten geerntet hast und die Küche in so einem Zustand ist?« Cara wollte es ihr erklären, doch die alte Frau ließ sie gar nicht zu Wort kommen. »Ich hatte von Anfang an recht, nicht wahr? Du bist ein faules, selbstsüchtiges Stück, genau wie deine Mutter!«
    Das war zu viel für Cara. Dass ihre eigenen Fähigkeiten in Zweifel gezogen wurden, hätte sie noch hingenommen, aber dass Theresa über ihre Mutter herzog, würde sie nicht zulassen.
    »Wie kannst du behaupten, dass ich faul bin?«, platzte es aus ihr heraus. »Du lässt mich arbeiten wie eine Sklavin. Ich schreibe meiner Mutter und erzähle ihr, was du getan hast, und dann kommt sie und holt mich hier weg, weil sie hundertmal so viel wert ist wie du.«
    Doch ihre Großmutter zuckte nur mit den Achseln. »Tu, was du willst. Ich lege dir keine Steine in den Weg.«
    Sie ging aus dem Zimmer. Einsam und verlassen sah Cara ihr nach. Bestimmt hätte ihre Mutter sie nicht allein gelassen, wenn sie gewusst hätte, wie schlimm es hier war.
    Die nächsten Tage verliefen kaum anders als der erste. Von jener heimlichen Weichherzigkeit, die Cara am ersten Morgen an der alten Dame bemerkt zu haben glaubte, war nichts mehr zu spüren. Obwohl Cara sich redlich bemühte, alles richtig zu machen – ihre Aufgaben zu erledigen, vor dem Essen und dem Schlafengehen zu beten –, schien sich ihre Großmutter in den Kopf gesetzt zu haben, dass man ihr nicht trauen durfte.
    Am Ende der Woche schrieb Cara ihrer Mutter einen Brief, in dem sie ihr erzählte, wie schlimm es in der Hütte war. Da sie kaum schreiben und buchstabieren konnte, blieb es ein kurzer, hilfloser Versuch. Trotzdem zeigte der Brief deutlich, wie sie sich fühlte.
    Nachdem er fertig war, las sie ihn noch einmal durch. Dann zerriss sie ihn und warf ihn in den Mülleimer. Wenn ihre Mutter las, wie unglücklich sie hier war, würde sie sich nur Sorgen machen. Und so elend Cara sich auch fühlte, sie wollte ihrer Mutter keinesfalls noch mehr Sorgen machen. Stattdessen schrieb sie einen zweiten Brief, in dem sie ihrer Mutter erzählte, was sie alles erlebt und gesehen hatte. Als sie diesen Brief noch einmal las, erkannte sie, dass er fast so wirkte, als hätte sie sich hier eingelebt. Aus Angst, dass er klingen könnte, als würde sie sich hier zu wohl fühlen, fügte sie noch einen Satz an, um ihrer Mutter klarzumachen, wie sehr sie sie vermisste. Schreib, damit ich weiß, wann du kommst¸ schloss sie. Hoffentlich bald!
    Damit versiegelte sie den Brief und klebte eine der Marken auf, die ihre Mutter ihr dagelassen hatte. Dann gab sie ihn der alten Frau, damit sie ihn zur Post brachte.
    »Ich habe nichts Schlechtes über dich geschrieben«, fühlte sie sich verpflichtet zu sagen.
    Ihre Großmutter brummte. »Meinetwegen kannst du schreiben, dass ich der Teufel persönlich bin.«
    Während die alte Frau in Richtung Dorf aufbrach, betete Cara heimlich, dass sie ihr Versprechen hielt und den Brief tatsächlich abschickte.

Kapitel 11
    Auf der Rückfahrt nach England plagte Franny das Gewissen. Sie war absichtlich ganz früh losgegangen, noch bevor Cara aufgewacht war, weil sie befürchtet hatte, dass ihr das Herz brechen und sie in letzter

Weitere Kostenlose Bücher