Die vergessene Frau
und eilt zu ihm.
Es war keine tragende Rolle, so viel war Franny klar, aber trotzdem war es besser, als nur eine Komparsin zu sein, die irgendwo herumsteht oder einmal durchs Bild geht. Und sie würde im Nachspann erwähnt, als Saloongirl Nummer eins. Alles in allem kein schlechter Anfang.
Die Szene war so aufgebaut, dass eine Gruppe von Saloongirls lachend und schäkernd mit ein paar Gästen an einem Tisch sitzen sollte. Wie alle anderen trug Franny ein schwarz-rosa gestreiftes Cancan-Kleid mit vorn gerüschtem Rock, dazu lange, elegante Handschuhe und ein Haarband mit einer rosa Feder. Sie liebte das Kostüm, auch wenn es für jemanden angefertigt worden war, der wesentlich größer war als sie, sodass die Kostümbildnerin zwanzig Minuten damit verbracht hatte, die Taille mit Sicherheitsnadeln zu verengen. Franny war so aufgeregt, endlich in einem richtigen Film mitwirken zu dürfen, frisiert und geschminkt zu werden und ein Kostüm angepasst zu bekommen, dass sie kaum spürte, wie ihr eine der Nadeln ins Fleisch stach.
Die anderen Komparsen saßen bereits am Tisch im Zentrum der Szene: drei Mädchen, alle wie Franny gekleidet, und dazu vier Cowboys. Der Regieassistent deutete auf den am besten aussehenden Mann.
»Sie setzen sich auf seinen Schoß«, befahl er.
Pflichtbewusst kam Franny seiner Aufforderung nach. Sie wurde in Position gesetzt, damit sie genau so saß, dass sie freien Blick auf die Saloontüren haben musste. Als der Regieassistent endlich zufrieden war, verschwand er, um die Hauptdarsteller zu holen.
Der Cowboy, auf dessen Schoß sie saß, war ein strohblonder, durch und durch amerikanischer Bursche frisch aus dem Bus aus Ohio. Er stellte sich als Brad vor und gestand ihr, dass das auch sein erster Film sei.
»Aber irgendwo muss man ja anfangen, oder?«, meinte er.
Brad war nett und freundlich und sichtlich bemüht, ein Gespräch mit ihr zu beginnen, doch Franny interessierte sich zu sehr dafür, was um sie herum geschah, als dass sie mehr als ein paar höfliche Floskeln hervorbrachte. Sie hätte nie geglaubt, dass so viele Menschen bei Dreharbeiten gebraucht wurden. Neben den Schauspielern in den Haupt- und Nebenrollen, den Kleindarstellern und Komparsen waren Dutzende von technischen Mitarbeitern anwesend, von den Beleuchtern und Tontechnikern angefangen bis hin zu den Kameramännern und den Szenenfotografen. Während alle darauf warteten, dass die Stars die Bühne betraten, brannten die heißen, grellen Scheinwerfer auf Franny nieder, bis sie unter ihrem Make-up zu schwitzen begann und ihr die Augen brannten. Aber sie spürte die Schmerzen kaum – so hatte sie sich noch nie in ihrem Leben amüsiert.
Schließlich erschienen nach weiteren zwanzig Minuten die Hauptdarsteller. Die weibliche Hauptrolle wurde von Lily Powell gespielt, der die Rolle als Puffmutter auf den Leib geschrieben war. Sie stammte ursprünglich aus Texas, sprach mit leichtem Südstaatenakzent und war mit ihrem platinblonden Haar und ihrer unglaublichen Figur Junipers Antwort auf Marilyn Monroe. Genau wie die Monroe hatte sie anfangs hauptsächlich in Verwechslungskomödien gespielt, in denen sie die dumme Blondine gegeben hatte. Franny hatte jeden einzelnen ihrer Filme gesehen und konnte ihr Glück kaum fassen, dass sie tatsächlich im selben Film wie ihre Heldin spielen durfte.
Franny sah zu, wie der Regisseur seiner Hauptdarstellerin die Szene erläuterte und Lily danach an ihren Platz führte und in Position setzte. Der Star lächelte zu ihrem Tisch herüber.
»Morgen«, grüßte sie. »Ich hoffe, Sie mussten nicht allzu lange warten.«
Als Lily in Position saß, wurde sie von dem Maskenbildner, der Kostümbildnerin und dem Friseur umflattert, um die letzten Kleinigkeiten zu richten, bevor die Dreharbeiten begannen. Und dann rief der Regisseur, genau wie in den Filmen: »Klappe!«, und alle wurden still.
Franny absolvierte ihren Auftritt fehlerfrei, und die Szene war nach der ersten Aufnahme im Kasten.
Der Dialog zwischen Lily und dem Priester musste öfter aufgenommen werden, weil sich beide mehrmals versprachen und der Regisseur sie anschließend bat, die Szene noch einmal zu spielen, aber diesmal andere Schwerpunkte zu setzen. Die meisten Komparsen begannen sich zu langweilen und gingen zum Schwatzen und Reden nach draußen, aber Franny blieb sitzen, gebannt von der ganzen Prozedur, und schaute weiter zu.
Eine Stunde später schien der Regisseur endlich zufrieden zu sein und machte Schluss. Er kam auf Lily
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