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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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Moment abgelenkt war, übersah sie den frisch umgestürzten Baumstamm und kam ins Stolpern. Sofort hatte sie sich wieder aufgerappelt und rannte weiter, aber der Sturz hatte sie wertvolle Zeit gekostet und dazu geführt, dass ihr Verfolger aufgeholt hatte. Da die Schritte immer näher kamen und sie keine weiteren Haken schlagen konnte, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich hinter einer dicken Eiche zu verstecken.
    Tatsächlich wurden die Schritte des unbekannten Verfolgers augenblicklich langsamer. Cara widerstand dem Drang, hinter dem Stamm hervorzulugen.
    »Hallo?« Die Stimme hallte durch den stillen Wald und ließ ein paar Vögel auffliegen.
    Es war eine weibliche Stimme, und sie gehörte einem Kind, keinem Erwachsenen. Cara merkte, wie sie sich entspannte.
    »Hallo?«, rief die Stimme wieder, und diesmal klang sie fast ängstlich. »Bist du da?« Es blieb still. »Es ist nur so – ich kenne mich hier nicht besonders gut aus. Ich bin dir nachgelaufen, und jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich zurückkomme, wenn du es mir nicht zeigst.« Wieder blieb es still, bevor das Mädchen tränenerstickt bettelte: »Kannst du rauskommen, wenn du hier irgendwo bist? Bitte.«
    Überzeugt, dass ihr nichts mehr passieren konnte, trat Cara hinter dem Baum hervor. Sie sah auf den ersten Blick, dass ihre Verfolgerin etwa so alt war wie sie, aber damit endeten die Ähnlichkeiten auch schon. Die Unbekannte war viel mädchenhafter als sie. Sie trug ein hübsches weiß-rosa Baumwollkleid, glänzend schwarze Lackschuhe mit weißen Söckchen, und das zu Zöpfchen geflochtene Haar wurde von passenden Schleifchen gehalten. Im Gegensatz dazu hatte sich Cara inzwischen in einen halben Jungen verwandelt. In den zwei Monaten seit ihrer Ankunft in Connemara war sie verwildert: Sie trug Hosen, wenn es ihr gefiel, und ihr Haar war kurz geschnitten. Sie war wie einer der Buben aus Dannys Bande, und sie war stolz darauf. Dieses Mädchen war weder so stark noch so schnell wie sie.
    »Wer bist du?«, wollte Cara wissen. »Und warum bist du mir nachgelaufen?«
    »Ich bin Alysha, und ich komme aus Dublin«, erklärte das Mädchen. »Meine Mam bekommt bald ein Baby, und weil wir Schulferien haben, war ich ihr im Weg, darum hat sie mich für ein paar Wochen zu ihrer Schwester und deren Mann geschickt. Aber die haben keine Kinder, und mir ist langweilig. Ich habe dich gestern und vorgestern hier draußen gesehen. Ich dachte, dass wir vielleicht miteinander spielen können.«
    Das Letzte sagte sie fast flehentlich. Cara wusste, wie sich das Mädchen fühlte – ihr fehlten Danny und ihre Freunde zu Hause, und sie hätte zu gern einen neuen Spielkameraden gehabt. Doch etwas ließ sie zögern. Eigentlich durfte niemand von ihr wissen, und das hieß, dass sie mit niemandem reden durfte. Das war eine der Regeln ihrer Großmutter, so wie Cara heute Nachmittag auch draußen bleiben musste, da Theresa Besuch bekam. Cara durfte erst wieder ins Haus, wenn der Besuch gegangen war. Nicht dass sie sich gern in der stickigen, feuchten Kate aufhielt, aber es war ein schreckliches Gefühl, eine solche Belastung zu sein, dass niemand von ihr wissen durfte.
    »Und?«, drängte das Mädchen. »Können wir miteinander spielen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Warum nicht?«
    Cara biss sich auf die Lippe. »Weil niemand von mir wissen darf«, gestand sie leise.
    Alysha sah sie mit großen Augen an. »Wieso nicht?«
    »Das darf ich dir nicht verraten. Es ist ein Geheimnis.« Plötzlich wurde Cara elend zumute. Es war schrecklich, immer allein zu sein, und obwohl sie viel las und sich selbst Spiele ausgedacht hatte, um sich zu beschäftigen, war es doch etwas ganz anderes, eine echte Freundin zu haben. Aber jetzt würde das Mädchen Cara bestimmt für komisch halten und davonlaufen.
    Doch Alysha wirkte keineswegs angewidert, sondern im Gegenteil beeindruckt. »Ich kann ein Geheimnis für mich behalten«, beteuerte sie. »Wenn wir dann zusammen spielen können.«
    Cara konnte der Versuchung nicht widerstehen. Zwar verstieß sie damit gegen die Regeln ihrer Großmutter, aber sie war so einsam. Und was konnte schon passieren? Dieses Mädchen war nur in den Ferien hier, es hatte hier niemanden, dem es von Cara erzählen konnte.
    Cara merkte, dass Alysha auf ihre Entscheidung wartete, und nickte schließlich. »Also gut, dann spielen wir morgen. Solange du schwörst, dass du keinem Menschen von mir erzählst.«
    Das Mädchen schaute sie tiefernst an. »Ich schwöre es. Aber erst musst

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