Die vergessene Frau
Besonderes.«
Die persönliche Bitte weckte die journalistische Neugier der Kolumnistin. »Wie heißt sie noch mal?«
»Frances Fitzgerald.«
Am nächsten Tag erschien eine kleine Notiz in der LA Times , in der die Ankunft eines »neuen Talents namens Frances Fitzgerald bei Juniper« vermeldet wurde. Darüber war ein bezauberndes Porträtfoto von Franny zu sehen, mit riesigen Augen, wallendem Haar und cremiger Haut. Franny riss es aus der Zeitung und pinnte es an die schmierige Motelwand. Dann trat sie zurück und bewunderte die Zeitungsmeldung. Es wäre die erste von vielen – dafür würde sie sorgen.
Obwohl sie bis über beide Ohren in der Arbeit steckte, hielt Franny ihr Versprechen und schrieb allwöchentlich einen Brief an Cara. So müde sie auch war, so spät sie auch von den Dreharbeiten nach Hause kam, regelmäßig schilderte sie ihrer Tochter in ein paar Absätzen ihren Tagesablauf. Und so schwer die Zeiten auch für sie waren, sie ließ ihre Erlebnisse immer ganz wunderbar klingen, so als würde sie bald unermesslich reich und könnte Cara demnächst zu sich holen, damit sie wieder vereint wären. Manchmal fragte sie sich zwar, ob sie ihre Tochter nicht auf grausame Weise belog, doch dann tröstete sie sich jedes Mal, dass sie nur ein bisschen schwindelte und bald wirklich ihre Tochter nachholen konnte.
Während der ersten drei Monate in Los Angeles beschränkten sich Frannys Filmangebote auf eine Reihe von Komparseneinsätzen und Kleinrollen. Anfangs war sie damit zufrieden, aber bald konnte sie es kaum noch erwarten, sich endlich in einer größeren Rolle zu beweisen. Sie hatte von einem Projekt namens Die Scheinhochzeit gehört, einer romantischen Komödie über einen unverbesserlichen Junggesellen und Schürzenjäger, der von seinem Vater erfährt, dass er verheiratet sein muss, um sein Erbe anzutreten, und der daraufhin, um seinen alten Herrn zufriedenzustellen, seine Sekretärin bittet, sich als seine Verlobte auszugeben. Wie nicht anders zu erwarten beginnt das Herz der Sekretärin, die von diesem Plan genauso wenig hält wie von ihrem charakterlosen Vorgesetzten, allmählich zu erweichen, bis er sich nach einer Reihe von Missverständnissen ebenfalls in sie verliebt.
Franny hatte gehofft, die weibliche Hauptrolle spielen zu dürfen, doch stattdessen sollte sie die Widersacherin geben – die männerfressende Krankenschwester des Vaters, die im Testament an zweiter Stelle steht. Entschlossen, sich das Erbe ihres Patienten unter die manikürten Nägel zu reißen, tut sie alles in ihrer Macht Stehende, um das augenscheinlich so glückliche Paar zu trennen, bringt jedoch durch ihre Bemühungen die beiden nur noch enger zusammen. Es war zwar keine Hauptrolle, aber ihre weitaus größte Rolle bisher, und ihr Name würde im Vorspann an vierter Stelle genannt.
»Vermassel es nicht«, warnte Lloyd, bevor die Dreharbeiten begannen – als hätte sie nicht haargenau gewusst, was das für eine Chance für sie war!
Als sie zu drehen begannen, meinte Franny immer noch Lloyds Mahnung zu hören. Sie wusste, dass dies ihr großer Durchbruch war und dass sie höchstwahrscheinlich keine zweite Chance bekommen würde, wenn sie diesmal versagte. Dummerweise setzte sie das so unter Druck, dass sie immer wieder ihren Text vergaß. Der Regisseur, ein aufbrausender Stier namens Emery Brecht, reagierte höchst unwirsch. Bei jedem Versprecher schnalzte er vernehmlich mit der Zunge. Als sie zum fünften Mal ihren Text vergaß, explodierte Emery endgültig.
»Frances Fitzgerald!«, brüllte er. Er schoss aus seinem Stuhl und stürmte so wütend auf die Bühne, dass alle Anwesenden unter seinen donnernden Schritten zusammenzuckten. »Fünf Worte!« Er streckte ihr die Hand ins Gesicht und spreizte die Finger mitsamt Daumen ab, um ihr die Zahl vor Augen zu führen. »Mehr muss Ihr winziges Spatzenhirn nicht behalten – fünf lächerliche Worte. Glauben Sie, Sie schaffen das?«
Franny war so aufgeregt, dass sie keinen Ton herausbrachte, darum nickte sie nur stumm.
»Gut! Denn wenn Sie noch einmal patzen, sind Sie draußen!«
Franny standen die Tränen in den Augen. Sie fühlte sich bloßgestellt vor ihren Kollegen, vor allem vor Lily Powell, die diesmal die Sekretärin spielte. Was musste sie wohl von dieser Anfängerin halten, die nichts zustande brachte?
Aber zu ihrer Überraschung sprang Lily ihr bei. »Hör auf, Emery. Das ist nicht ihre Schuld, sondern deine. Kein Wunder, dass das arme Lämmchen patzt, wenn du
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