Die vergessene Frau
Beide waren nicht weniger bekannt: zum einen der gutaussehende, weltgewandte Duke Carter, der zusammen mit Clifford Walker im Victory Club in London gewesen war, zum anderen Hunter Holden, einer der düsteren jungen Schauspieler, die plötzlich überall gefragt waren, seit James Dean in Jenseits von Eden gespielt hatte.
Duke, charmant und höflich, erhob sich sofort, um die beiden neu hinzugekommenen Frauen zu begrüßen.
»Guten Abend, die Damen. Und mit wem habe ich das Vergnügen?« Die Frage war zwar an Lily gerichtet, doch sein Blick lag fest auf Franny.
»Frances Fitzgerald«, verkündete Lily. »Frischfleisch bei Juniper.« Sie zwinkerte ihrer neuen Freundin zu, um ihr zu versichern, dass das als Witz gemeint war. Sie schien ihre Rolle als Frannys Mentorin ausgesprochen zu genießen.
»Wundervoll«, murmelte Duke und verbeugte sich, um Frannys Hand zu küssen. Offenbar und zu ihrer großen Erleichterung hatte er ihre Begegnung im Victory Club vergessen.
Hunter beobachtete seinen Freund und schnaubte missbilligend, obwohl Franny nicht sicher war, ob sein Missfallen ihr oder Duke galt. Er lagerte missmutig auf der Lederbank, ein Glas Bourbon in der einen Hand, eine Zigarette in der anderen, den Schlips lose um den Hals gehängt, und sah dabei so gefährlich verführerisch aus wie in seinen Filmen – und zu Tode gelangweilt.
»Ach, kümmere dich gar nicht um Hunter«, sagte Lily zu Franny. »Er redet nie viel. Er gibt sich nur gern gemein und launisch.«
Wie um ihre Worte zu beweisen, schoss Hunter einen finsteren Blick auf Lily ab. Sie ignorierte ihn.
»Und jetzt hoch mit dir«, befahl sie ihm. »Setz dich anständig hin, und mach Frances Platz.«
Trotz seines halbstarken Gehabes setzte er sich folgsam auf, und Franny fand sich gleich darauf zwischen Hunter und Duke wieder, zwei der größten Herzensbrecher Hollywoods. In diesem Moment hatte sie endlich das Gefühl, wirklich angekommen zu sein.
Ein Kellner im Frack kam an ihren Tisch, um ihre Bestellung aufzunehmen.
»Einen Martini ohne Eis«, orderte Lily. Der Kellner wandte sich erwartungsvoll an Franny.
»Bringen Sie gleich zwei«, antwortete Franny schnell und versuchte dabei so zu wirken, als würde sie ständig Cocktails bestellen und nicht nur ihre neue Freundin kopieren.
Aber falls irgendwer den Eindruck hatte, dass sie hier fehl am Platz war, dann ließ das niemand erkennen. Vor allem Duke machte sich sofort daran, Franny näher kennenzulernen. Sein Arm schob sich unauffällig über die Banklehne, dann beugte er sich zu ihr herüber.
»Also erzähl schon, Süße.« Er blendete sie mit seinem berühmten strahlenden Lächeln. »Ich will alles über dich erfahren.«
Franny tischte ihm die Geschichte auf, die man im Studio für sie erdichtet hatte; wie sie als armes irisches Landmädchen nach London gegangen war, um dort ihr Glück zu finden; wie sie dort entdeckt und nach Hollywood entführt worden war. Es war eine bekannte Geschichte und nicht allzu originell, aber Duke hing bei jedem Wort an ihren Lippen.
»Ich werde mit Lloyd reden«, sagte er und griff nach ihrer Hand. »Und ihn fragen, ob er nicht ein gemeinsames Projekt für uns hat. Garantiert stimmt bei uns die Leinwandchemie. Meinst du nicht auch?«
»Unbedingt!« Franny nickte eifrig. Sie hätte nicht begeisterter sein können. Der Abend entwickelte sich noch besser, als sie erwartet hätte.
Immer neue Runden wurden an ihren Tisch gebracht. Aus einem Martini wurden erst zwei und dann drei. Bald fühlte sich Franny, die keinen Alkohol gewöhnt war, beschwingt, beschwipst und überglücklich.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie nett ich ihn finde«, flüsterte sie Lily zu, als Duke auf der Toilette war. »Hältst du es für möglich, dass er sich für mich interessiert?«
»Ach, Mädchen.« Lily lachte, aber gutmütig. »Duke interessiert sich für alles, was einen Puls hat. Lass dir eines gesagt sein« – sie senkte verschwörerisch die Stimme –, »er ist wirklich gut im Bett, aber erwarte dir nicht mehr als das.«
Franny musste all ihre schauspielerischen Fähigkeiten aufbieten, um sich nicht anmerken zu lassen, wie Lilys Worte sie schockierten. Der Kellner hatte eben zwei frische Drinks abgestellt. Sie griff nach ihrem vierten Martini. Hunter, der das Gespräch bis dahin schweigend verfolgt hatte, legte warnend die Finger auf ihr Handgelenk.
»Sei vorsichtig«, knurrte er. Er sah Franny mit dunklen, ernsten Augen an und nickte zu dem Glas in ihrer Hand hin. »Diese
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