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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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Enkeln hatte Theresa nie besonders viel gehalten – Maggies Nachkommen; ein faules Pack, das sich für nichts interessierte. Cara war ganz anders. Franny hatte vielleicht manches in ihrem Leben falsch gemacht, aber nicht bei der Erziehung ihrer Tochter.
    Darum hatte Theresa den Brief, in dem Franny ankündigte, dass sie nicht so bald zurückkommen konnte, als Geschenk des Himmels empfunden. Sie freute sich, dass ihr noch mehr Zeit mit ihrer Enkelin vergönnt war. Und es traf sie tief, dass etwas, das sie so freute, Cara so verletzte.
    Theresa wusste, dass das Mädchen nicht verstehen konnte, warum sie so strenge Regeln aufgestellt hatte. Doch es gab tatsächlich einen guten Grund, niemandem von Cara zu erzählen. Hier in Irland hatten ledige Mütter so gut wie keine Rechte. Die Regierung war der Ansicht, dass ein Kind lieber nicht unter dem Einfluss einer Frau mit so losen Moralvorstellungen aufwachsen sollte. Wenn die Behörden erfuhren, dass Cara, ein uneheliches Kind, bei ihrer gebrechlichen Großmutter wohnen musste, während ihre Mutter monatelang durch die Welt streifte, würden sie Cara wahrscheinlich in Obhut nehmen. Darum die Geheimnistuerei. Aber wie sollte sie das einem so kleinen Kind erklären?
    Theresa bemühte sich redlich um Cara. Sie hatte etwas Geld beiseitegelegt – genug, um sicherzustellen, dass ihre Enkelin genug zu essen und anzuziehen hatte. Aber vor allem die Schulbildung machte ihr Sorgen – das Mädchen war aufgeweckt, und Theresa wollte nicht, dass es geistig zu wenig gefordert wurde. Deshalb zwang sie Cara jeden Morgen, zwei Stunden Schreiben zu üben und Zahlen zu addieren. Zum Glück las das Mädchen gern, und so holte Theresa Bücher aus der örtlichen Bücherei und gab sie Cara mit der Ermahnung, sie zu fragen, falls sie etwas nicht verstand.
    Cara war ein kluges kleines Ding. Und wissbegierig. Erst neulich hatte sie Theresa gefragt, ob sie ihren Vater gekannt hatte.
    »Was hat deine Mam dir denn über ihn erzählt?«, hatte die alte Frau misstrauisch gefragt.
    »Dass er ein sehr netter Mann war, der uns beide sehr geliebt hat, und dass er nun im Himmel ist, so wie Dannys Dad.«
    »Das hört sich ganz richtig an«, hatte Theresa gelogen. Es war ihr besser erschienen, als dem Kind die Wahrheit zu sagen – dass Sean Franny sitzenlassen hatte und sich inzwischen, soweit Theresa gehört hatte, durch die Pubs in Cork trank.
    Oben weinte die Kleine immer noch. Theresa wünschte, sie könnte ihre Schmerzen lindern, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie Cara trösten sollte. Dem Mädchen ihre Gedanken oder Gefühle zu offenbaren war für sie undenkbar – das ging gegen ihre Erziehung und ihr Wesen. Stattdessen baute sie sich unten an der Treppe auf und rief nach oben.
    »Kommst du jetzt endlich wieder nach unten?« Ihre Stimme blieb schroff. »Ich brauche Hilfe beim Kochen.«
    In der Küche begannen sie schweigend das Abendessen vorzubereiten. Theresa beobachtete, wie sich ihre Enkelin abmühte, eine Kartoffel zu schälen, und mit der Schale die halbe Kartoffel abzog. Theresa schüttelte den Kopf.
    »Doch nicht so, du Dummerchen.« Die alte Frau nahm Cara das Messer ab. »So geht das.« Dann begann sie schnell und geschickt unter dem laufenden Wasser aus der Spüle die Schale abzulösen.
    Als sie fertig war, gab sie ihrer Enkelin das Messer zurück. »Probier es noch mal.«
    Die Stirn in konzentrierte Falten gelegt versuchte Cara die Bewegungen ihrer Großmutter nachzuahmen. Nach ein paar Minuten hielt sie ihr die geschälte Kartoffel hin. Sie war voller Kerben und längst nicht so sparsam geschält wie die von Theresa, doch sie sah besser aus als Caras erster Versuch.
    »Gar nicht schlecht«, sagte Theresa.
    Und nach kurzem Zögern legte sie ihrer Enkelin die Hand auf die Schulter. Es war eine unbeholfene Geste, die der älteren Frau sichtlich fremd war, aber sie schien etwas zu bewirken. Cara lächelte ihre Großmutter an und hatte ihren Kummer vergessen, zumindest für den Augenblick.
    Schnell zog Theresa ihre Hand zurück. »Und jetzt los«, meinte sie barsch. »Du musst noch zwei Stück schälen.«
    Doch insgeheim war sie stolz, dem Kind endlich etwas Gutes getan zu haben.

Kapitel 15
    An jenem ersten Abend im Ciro’s wurde Franny in die Partyszene von Hollywood eingeführt. Lily bestand darauf, ihr etwas zum Anziehen zu leihen, und die beiden jungen Schauspielerinnen verließen das Studio in identischen, eng anliegenden Kleidern: Lilys in sündigem Rot, Frannys in Smaragdgrün. Da

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