Die vergessene Frau
attraktive Frau, daran ist nicht zu rütteln. Aber ihre Schönheit ist das Ergebnis von harter Arbeit: von der eleganten Frisur über das aufgetragene Make-up bis zu dem teuren Kleid. Du besitzt etwas viel Besseres: ein süßes, natürliches Leuchten und eine edle Seele. Auf lange Sicht bedeutet das viel mehr. Glaub mir.« Jetzt zwinkerte er wieder. »Ich weiß so ein, zwei Dinge über die Frauen.«
Olivia wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Einerseits wollte sie Duke erklären, dass er dummes Zeug redete und dass sie sich nie mit ihrer Stiefmutter messen könnte. Aber gleichzeitig hörte sie ihm an, dass er es ernst meinte und tatsächlich glaubte, was er sagte.
»Sie sind so nett zu mir«, flüsterte sie. Sie sah ihm ins Gesicht. »Danke«, sagte sie.
Duke war nicht oft stolz auf sich, doch dies war einer jener seltenen Momente. »Da gibt es nichts zu danken«, erklärte er ihr. »Schließlich hast du heute Geburtstag, und an so einem Tag solltest du wirklich nicht traurig sein. Und vergeude deine Zeit nicht damit, dich über diesen Jungen aufzuregen – Brett, nicht wahr? Warte ein, zwei Monate ab, dann hast du ihn vergessen.«
Olivia lachte. »Also, um ganz ehrlich zu sein, weiß ich überhaupt nicht, ob ich ihn wirklich so gernhabe«, gab sie zu.
»Was hat dich dann so aus der Fassung gebracht?«
Obwohl sie sich dabei ein bisschen albern vorkam, erzählte sie ihm, wie sie sich den Abend vorgestellt hatte: dass sie einfach nur einmal mit jemandem tanzen wollte – und nicht mit ihrem Vater oder Bruder, sondern mit jemandem, dem sie wenigstens romantische Gefühle andichten konnte. »Nicht, dass das je passieren würde«, schloss sie kleinlaut.
Sie hatte halb damit gerechnet, dass Duke sie deswegen aufziehen würde. Doch stattdessen sah er sie ganz ernst an und sagte: »Ich glaube, das lässt sich regeln.«
Dann stand er auf. Mit einer tiefen Verbeugung fragte er: »Würden Sie mir die Ehre dieses Tanzes erweisen, Miz Olivia?«
Selbst hier im Baumhaus konnten sie die Band hören, deren Musik durch die warme Nachtluft zu ihnen herüberschwebte. Duke nahm Olivia in den Arm und tanzte einen Walzer mit ihr. Sie hatten kaum Platz, aber irgendwie wurde das Erlebnis dadurch noch aufregender, so als hätten sie ihren eigenen privaten Tanzsaal.
Olivia schloss die Augen, ließ den Kopf an Duke Carters Schulter sinken und kam zu dem Schluss, dass sie Brett gern ihrer Stiefmutter überließ: Duke Carter war ein tausendmal besserer Partner für ihren ersten Tanz.
Aus einem für Franny unerfindlichen Grund brach der sechzehnte Geburtstag ihrer Stieftochter nicht das Eis zwischen ihr und Max’ Kindern. Im September kehrten Olivia und Gabriel in ihre jeweiligen Internate zurück, und Franny blieb allein im Haus zurück. Doch sie empfand das nicht als Erleichterung, sondern als frustrierend. Die Tage erschienen ihr umso länger und einsamer.
An einem Morgen Mitte Oktober beschloss Franny, nachdem sie einem weiteren inhaltsleeren Tag entgegensah, dass sie dem Unausweichlichen ins Auge sehen musste: Seit der Hochzeit waren vier Monate vergangen, sie musste wieder arbeiten. Also rief sie, ohne sich zuvor mit Max abzusprechen, bei Lloyd an. Der Studiochef klang zwar überrascht, aber doch erfreut, von ihr zu hören.
»Und wie ist das Eheleben?« Wie immer war das die erste Frage, die sie gestellt bekam.
»Ach, fantastisch! Unglaublich, natürlich«, erwiderte Franny aufgekratzt. »Aber eigentlich rufe ich an, um mich zu erkundigen, ob es Neuigkeiten beim Elizabeth-Projekt gibt?«
Es blieb still. Lloyd räusperte sich verlegen. »Ähm, ja, wir haben beschlossen, den Film doch noch zu drehen …«
»Das ist ja wunderbar!«
Allerdings hörte sie schon an seinem Zögern, dass es nicht die Nachricht war, auf die sie gehofft hatte.
»Äh, ja«, stammelte er. »Aber, ähm, ich muss dir leider mitteilen, dass wir uns letztendlich entschlossen haben, die Elizabeth mit Edie Lincoln zu besetzen.«
Franny war sprachlos. Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich zu erholen. »Ach so. Ich verstehe. Gut, gut«, meinte sie eilig. »Eigentlich rufe ich auch nur an, um mitzuteilen, dass ich die Rolle sowieso nicht übernehmen könnte. Nachdem ich zurzeit so beschäftigt bin.«
»Sehr gut – exzellent. Das habe ich mir schon gedacht.« Lloyd klang erleichtert. »Natürlich warst du für uns die erste Wahl …«
Das Gespräch plätscherte noch eine Weile höflich dahin, doch als Franny auflegte, fühlte sie sich getroffen und
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