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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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Weinen. Im ersten Moment wollte er leise weggehen, aber weil das, was sich dort oben abspielte, nur interessanter sein konnte als die Party, beschloss er nachzusehen.
    Je höher er die Leiter hinaufkletterte, desto lauter wurde das Schluchzen. Da oben weinte eindeutig eine Frau, davon war er inzwischen überzeugt. »Hallo!«, rief er, da er sie nicht erschrecken wollte. Dann streckte er den Kopf durch die Falltür und erkannte, dass er richtig vermutet hatte. Ein Mädchen, Max’ Tochter, um genau zu sein, saß in einem Meer aus weißer Spitze auf dem Boden des Baumhauses, die Knie unter das Kinn gezogen, und heulte sich die Seele aus dem Leib.
    Duke überlegte, was er tun sollte. Das Mädchen war so in seinem Elend gefangen, dass es ihn noch gar nicht bemerkt hatte. Er hätte davonschleichen können, ohne dass es etwas geahnt hätte. Heute Abend hatte er die Kleine das erste Mal gesehen – hieß sie nicht Olivia? –, aber das arme Ding sah so erbarmenswürdig aus, dass er sich einfach nicht abwenden konnte. Duke hatte noch nie einer Jungfer in Nöten widerstehen können.
    »Lust auf etwas Gesellschaft, Geburtstagskind?«, fragte er.
    Sie sah verdutzt auf. Eine Sekunde starrte sie ihn nur an, dann wandte sie sichtlich verlegen das Gesicht ab. »Danke, aber nein«, schniefte sie. »Ich will lieber allein sein.«
    Doch Duke spürte genau, dass sie das nicht ernst meinte. Also kletterte er stattdessen die letzten Sprossen hoch und setzte sich neben sie, den Rücken gegen die Holzwand des Baumhauses gelehnt. »Gut, du möchtest vielleicht keine Gesellschaft, aber ich hätte gern welche. Kannst du mich wenigstens ein paar Minuten ertragen?«
    Sie schniefte wieder. »Na gut«, gab sie nach.
    »Sehr gut.« Er fasste in seine Tasche und zog ein Taschentuch heraus. »Und nun putz dir um Gottes willen die Nase. Dein Schniefen ist ja nicht auszuhalten.«
    Prompt zeigte Olivia ein zaghaftes Lächeln.
    »Aha!«, triumphierte Duke. »Ich habe dir tatsächlich ein Lächeln entlockt. Fühlt sich das nicht besser an?«
    »Doch, danke.« Sie trocknete ihre Augen, schnäuzte sich und schaute ihren Retter dann das erste Mal richtig an. Erst jetzt begriff sie, dass er Duke Carter, der berühmte Schauspieler, war. Wie peinlich. Sie liebte seine Filme und hatte lauter Bilder von ihm an ihrer Wand hängen. So sollte er sie keinesfalls sehen. »Bitte, Sie müssen meinetwegen nicht hierbleiben. Es geht mir gut, wirklich«, versicherte sie ihm, damit er endlich verschwand und sie das ganze peinliche Erlebnis vergessen konnte. »Ehrenwort, ich fühle mich schon besser.«
    Aber er schien es gar nicht eilig zu haben, sie zu verlassen.
    »Das freut mich«, sagte er. »Denn niemand sollte an seinem Geburtstag weinen müssen, Kindchen.« Er boxte sie freundschaftlich gegen den Arm, dann wurde er ernst. »Willst du mir erzählen, was dich so aufgeregt hat?«
    Olivias Lächeln erlosch. Sie senkte verlegen den Blick und begann an ihrem Spitzenkleid zu zupfen. »Ach, ich weiß nicht.«
    »Erzähl schon.«
    Sie zögerte, weil sie ihn nicht mit ihren kindischen Problemen belasten wollte. Doch er klang, als würde es ihn wirklich interessieren, und außerdem war es schön, mit jemandem reden zu können.
    »Es gibt da so einen Jungen, den ich mag«, gestand sie.
    »Aber er mag dich nicht?«
    »Ich dachte eigentlich schon, dass er mich mag. Aber dann habe ich ihn mit Franny bekannt gemacht, und dann …« Sie konnte nicht weitersprechen.
    »Dann hatte er plötzlich nur noch Augen für sie?« Duke konnte sich ausmalen, was passiert war.
    »Kann man ihm das verdenken? Sie sieht so toll aus.« Olivia seufzte neidisch. Sie wusste nie recht, was sie für Franny empfinden sollte. Einerseits wollte sie genau wie sie sein, andererseits hasste sie ihre Stiefmutter wie die Pest. »Was will er denn mit einer Langweilerin wie mir? Neben ihr bin ich bloß ein Mauerblümchen.«
    Beim letzten Wort verfing sich ein Schluchzen in ihrer Kehle. Ihre Unterlippe begann zu beben, und sie spürte frische Tränen hinter ihren Lidern. Sie wandte das Gesicht ab.
    »Aber, aber. Keine Tränen mehr.« Duke beugte sich nach vorn, bis er vor ihr kniete. Dann legte er die Hand unter ihr Kinn und hob es an, bis sie ihm in die Augen sehen musste. »Eines kann ich dir mit Sicherheit sagen: dass du bei Weitem die schönste Frau hier bist.«
    »Das ist doch nur so dahingesagt.« Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, ist es nicht.« Ausnahmsweise wirkte er völlig ernst dabei. »Franny ist eine

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