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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Himmelsrichtungen kann ich zur
Not noch erkennen. Und wenn mich nicht alles
täuscht, dann fahren wir auf nordöstlichem Kurs.«
Aus dem ernsten Ausdruck auf ihrem Gesicht wurde
Sorge.
»Und?« fragte André.
»Nordöstlicher Kurs, von Rio de Janeiro aus«, erklärte Mike, »bedeutet Kurs aufs offene Meer - nicht
wahr?«
Die beiden letzten Worte galten Miß McCrooder, die
nur stumm nickte.
»Aber das ist doch Unsinn!« protestierte Juan. »Dieses
Schiff ist viel zu klein, um den Atlantik zu überqueren. Wenn Singh vorhat, damit nach England zurückzusegeln, muß er verrückt sein!«
»Ich fürchte, das hat er nicht vor«, sagte Miß McCrooder. »Ich habe ihn gefragt, wohin wir segeln, aber er
hat mir nicht geantwortet.«
»Das war mir leider nicht möglich, Mylady«, sagte
Singh von der Tür aus. »Es war mir nicht erlaubt,
einem anderen als meinem Herrn das Ziel unserer
Reise mitzuteilen.«
Miß McCrooder und die Jungen fuhren erschrocken
zusammen. Sie hatten gar nicht gemerkt, daß der Inder die Messe betreten hatte. Es war Miß McCrooder
anzusehen, wie peinlich es ihr war, daß der Inder ihre
Worte gehört hatte - und auch das verstanden haben
mußte, was sie nicht ausgesprochen hatte.
»Na, dann erlaube ich es Ihnen jetzt«, sagte Mike, um
das unangenehme Schweigen zu brechen. »Wohin segeln wir? Sie haben doch nicht vor, in dieser Nußschale den Atlantik zu überqueren?«
Singh
lächelte geheimnisvoll. »Nein,
Herr«, sagte er.
»Obwohl es durchaus möglich wäre. So eine Reise ist
schon von kleineren Schiffen bewältigt worden. Doch
unser Ziel liegt auf dieser Seite des Ozeans.«
»Dann könnten Sie ja so freundlich sein, es uns zu
verraten«, grollte Ben. »Es sei denn, Sie haben uns
nur befreit, um uns zu einer kleinen Kreuzfahrt einzuladen.«
Singh zögerte. Er lächelte noch immer, aber Mike erkannte auch deutlich die Unentschlossenheit, die sich
hinter diesem Lächeln verbarg. »Ich ... fürchte, das
darf ich nicht«, sagte er schließlich. »Das Ziel unserer
Reise ist geheim.«
»He, he!« protestierte Mike. »Ich habe Ihnen schon gesagt, daß Sie reden dürfen. Ich habe keine Geheimnisse vor meinen Freunden.«
Singhs Gesichtsausdruck sah plötzlich gequält aus.
»Verzeiht mir, Herr«, sagte er. »Aber ich fürchte, ich
kann Eurem Befehl nicht gehorchen. Die Anweisungen, die Euer Vater für mich hinterließ, sind eindeutig.«
Mike mußte sich beherrschen, um nicht herauszuplatzen. »Nun hören Sie endlich mit dem blödsinnigen
Herr auf!« sagte er. »Mein Name ist Mike Kamala -«
»Nein, Herr«, unterbrach ihn Singh sanft, »das ist er
nicht.«
Mike blinzelte. »Nicht?«
Singh schüttelte den Kopf. »Unter diesem Namen seid
Ihr in England aufgewachsen, doch er ist falsch. Euer
Vater wählte ihn, um Euch zu schützen, denn er
fürchtete, daß seine Feinde Euch als Druckmittel benutzen würden, wüßten sie von Eurer wahren Identität. Nicht zu Unrecht, wie sich gezeigt hat. Euer
wirklicher Name ist Dakkar. Ihr seid Prinz Dakkar.«
Mike sah aus den Augenwinkeln, wie Paul zusammenfuhr und sein Gesicht jede Farbe verlor, Ben und
André rissen verblüfft die Augen auf, während Juan
nach einer ersten Sekunde der Überraschung auf eine
sonderbare Weise zu
lächeln begann und Chris ihn
mit offenem Mund und unübersehbarer Ehrfurcht anstarrte.
»Prinz Dakkar?« wiederholte Mike ungläubig.
Singh legte wieder die Hände aneinander und verbeugte sich auf die gleiche Weise wie am Abend zuvor. »Wie Euer Vater vor Euch und dessen Vater vor
    ihm«, antwortete er. »Und Euer Sohn, solltet Ihr Kinder zeugen und die Linie fortsetzen.«
»Und Sie sind -«
»Euer Diener und Leibwächter«, sagte Singh. »Wie
mein Vater der Leibwächter Eures Vaters war und
mein Großvater der des Ihren.« Er lächelte flüchtig.
»Wie Ihr bin auch ich der letzte meines Geschlechtes.«
»Na, dann haben wir ja wenigstens etwas gemein«,
murmelte Mike. Er fühlte sich noch immer wie vor
den Kopf geschlagen. Prinz? Er sollte ein leibhaftiger
Prinz sein? Das war unfaßbar - aber auch ziemlich
aufregend. Plötzlich fühlte er ein fast ehrfürchtiges
Schaudern.
»Ihr ehrt mich, Herr«, sagte Singh, »doch wir haben
nichts gemein. Ihr seid der Sohn eines Radschahs, der
den Göttern näher steht als den Menschen, während
ich nur ein unbedeutender Krieger aus der Kaste der
Sikhs bin. Mein Leben zählt nichts, wenn Ihr es befehlt.«
»Dann habe ich gleich den ersten Befehl für dich«,
sagte Mike. »Nämlich, daß du in Zukunft keine Befehle

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