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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatten eines gemeinsam: sie nutzten sich rasch ab. Mittlerweile ging
ihm die Monotonie des Meeres gehörig auf die Nerven. Singhs Schweigen übrigens auch. Der Sikh redete nur, wenn er angesprochen wurde, und er antwortete auch dann nur mit knappen Worten.
»Wonach suchst du eigentlich die ganze Zeit?« fragte
Mike.
Singh setzte das Fernrohr ab, drehte sich halb zu dem
Jungen herum und sah ihn ohne Überraschung an.
Mike hatte sich alle Mühe gegeben, leise zu sein. Er
hatte sogar darauf geachtet, daß sein Schatten nicht
in Singhs Gesichtsfeld fiel, damit er ihn nicht verriet.
Trotzdem mußte Singh schon die ganze Zeit über gewußt haben, daß er da war.
Beharrlich an seiner Schweigsamkeit
festhaltend,
reichte Singh ihm das Fernrohr und deutete mit der
anderen Hand in die Richtung, in die er zuvor geblickt hatte. Mike setzte das Fernrohr an.
Im ersten Moment sah er so gut wie nichts. Der Horizont hüpfte so wild in dem runden, vergrößerten Ausschnitt der Welt auf und ab, den er durch das Glas
sah, daß ihm fast schwindelig wurde, und er mußte
    die andere Hand zu Hilfe nehmen, um das Fernrohr
ruhig zu halten. Aber auch danach erkannte er nichts
anderes als den Horizont - nur etwas näher.
Singh berührte das Fernrohr mit den Fingerspitzen
und drückte es ein Stückchen nach rechts, und für eine Sekunde blitzte etwas vor Mike auf. Er verlor den
Gegenstand sofort wieder aus den Augen, aber nun
wußte er, wo er zu suchen hatte, schwenkte das Glas
wieder zurück - und erstarrte vor Schrecken.
Das Schiff war
selbst durch das Fernrohr betrachtet
kaum größer als ein Fingernagel; nur ein Umriß, der
im regelmäßigen Auf und Ab der Wellen auf dem Horizont erschien und wieder dahinter verschwand, aber
Mike wußte trotzdem sofort, was er da sah.
»Die LEOPOLD!« Seine Hände zitterten, als er das
Fernrohr wieder absetzte und an Singh zurückgab.
Singh schob das Fernrohr zusammen und verstaute es
unter seiner Jacke. »Ich beobachte sie schon seit einer Stunde«, sagte er. »Sie holt auf. Allerdings nicht
sehr schnell.«
»Wie lange verfolgen sie uns schon?« fragte Mike. Er
war sehr beunruhigt.
»Die ganze Zeit«, antwortete Singh. Er lächelte flüchtig. »Und wir folgen ihnen.«
»Indem wir vor ihnen hersegeln?« fragte Mike zweifelnd.
»Das ist ja gerade der Trick«, antwortete Singh. »Es
ist unsere einzige Chance, die Vergessene Insel zu finden, wenn wir uns an Winterfelds Fersen heften.
Denn
seine Aussichten, die Papiere Eures Vaters zu
entschlüsseln und die Position der Insel herauszufinden, sind etwa hundertmal besser als
unsere,
durch
blindes Suchen ans Ziel zu gelangen.«
»Was verschweigst du uns noch, Singh?« fragte Mike.
Sing lächelte - und schwieg.
    Mike wollte
seine Frage wiederholen, als er das
Geräusch der sich öffnenden Tür vernahm. Etwas verärgert drehte er sich herum und gewahrte Paul, der
gebückt aus der Kajüte trat und grüßend die Hand
hob. Mike erwiderte die Geste automatisch, während
Singh die Gelegenheit ergriff, sich aus dem Staub zu
machen. Allmählich begann Mike das Geschick des
Inders zu bewundern, ihm immer wieder auszuweichen, ehe er Gelegenheit fand, ihn wirklich auf ein
Thema festzunagelnund das, obwohl die Jacht nun
wirklich nicht groß war.
»Hallo, Prinz«, begrüßte ihn Paul - was Mikes Laune
auch nicht weiter hob. Er hatte zwar gleich am ersten
Morgen klargemacht, daß er sich kein bißchen anders
fühlte als vor dem Zeitpunkt, da Singh seine wahre
Identität enthüllt hatte, und auch nicht anders behandelt werden wollte (was die anderen sowieso nicht getan hätten), aber natürlich konnte sich keiner der
Jungen eine kleine Stichelei dann und wann verkneifen.
»Das Essen ist gleich fertig«, sagte Paul. »Miß McCrooder schickt mich, um dich zu holen. Nicht, daß
du eine unserer köstlichen Mahlzeiten versäumst und
vom königlichen Fleische fällst«
Mike zog eine Grimasse. Es gab an jedem Tag zumindest einen Moment, an dem sich er und die anderen
fast auf das Frachtschiff zurückwünschten - wenn das
Essen serviert wurde. Singh hatte den Jungen einen
Schnellkurs im Segeln erteilt, so daß sie ihm bei der
Führung des Schiffes zur Hand
gehen
konnten,
während Miß McCrooder wie selbstverständlich die
Kombüse mit Beschlag belegt hatte und sich um das
leibliche Wohl ihrer Schützlinge kümmerte. Der Vorsatz war sicher löblich - aber Miß McCrooder war leider Gottes eine miserable Köchin,
    »Gleich«, seufzte Mike mit einem Ausdruck übertriebener Verzweiflung in der

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