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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Fremde schwang sich mit einer kraftvollen Bewegung über die Reling - und sprang in die Tiefe, ohne
zu zögern!
Mike schrie erschrocken auf. Das Deck des größeren
Schiffes lag gute fünf Meter über ihnen, vielleicht sogar mehr. Aber wieder bewies ihr geheimnisvoller
Freund seine außerordentliche Geschicklichkeit. Er
prallte dicht neben ihm auf, kam mit einer eleganten
Rolle wieder auf die Füße und fuhr noch in der gleichen Bewegung herum. Mit beiden Armen versuchte
er, die kleine Jacht vom Rumpf des Frachters wegzustoßen. Das Schiff zitterte, bewegte sich aber nicht.
»Helft mir!« sagte er. »Schnell!«
Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, das Schiff abzustoßen - doch in diesem Moment erschienen bereits
die Schatten der Verfolger an der Reling über ihnen.
Irgend jemand schrie eine Warnung, und da krachte
auch schon wieder ein Schuß.
Mike zog den Kopf ein und warf sich herum. Die Kugel klatschte neben dem Schiff ins Wasser, aber schon
krachte der
nächste Schuß, und dann wieder
einer
und wieder einer. Die Kugeln ließen das Wasser aufspritzen, aber einige
Geschosse fetzten auch
Splitter
aus den Decksplanken oder zerschmetterten Glas.
Während Mike mit Riesensätzen und im Zickzack
über das Deck sprang und verzweifelt nach irgendeiner Deckung Ausschau hielt, sah er aus den Augenwinkeln, wie sich zwei Matrosen hintereinander auf
die Strickleiter schwangen, über die sie selbst geflohen waren, um in die Tiefe zu klettern.
Die Jacht drehte sich scheinbar schwerfällig von dem
größeren Schiff weg, nahm aber nun sichtbar Fahrt
auf, und die Distanz zwischen den beiden Schiffen
wuchs rasch. Die Soldaten schossen jetzt ununterbrochen, und die Kugeln sirrten so dicht um Mikes Ohren und die der anderen, daß sie das Gefühl hatten,
mitten in einen zornigen Hornissenschwarm hineingeraten zu sein, doch niemand wurde getroffen.
Schließlich hörte das Gewehrfeuer auf. Mike, der sich
wie alle anderen angstvoll an Deck zusammengekauert hatte, saß noch einige Sekunden mit eingezogenem
Kopf da, ehe er es auch nur wagte, die Augen zu öffnen und wieder zu dem Frachter hinüberzublicken.
Er war überrascht, wie groß der Abstand in den wenigen Augenblicken geworden war, die seit ihrer Flucht
vergangen waren. Das Schiff war sicherlich schon
fünfzig Meter entfernt, und die Distanz wuchs mit jeder Sekunde. Mike hörte ein schweres, flappendes Geräusch, sah hoch und gewahrte ein riesiges, geblähtes
Segel, das sich plötzlich über ihren Köpfen spannte.
Er konnte hören, wie der Schiffsrumpf unter den
Kräften ächzte, die plötzlich auf ihn einwirkten. Das
Schiff war nicht nur viel größer, als er bisher angenommen hatte, sondern auch sehr schnell. Plötzlich
wußte er, daß sie in Sicherheit waren. Selbst wenn
der Frachter mit seinen schweren Motoren schneller
sein sollte als dieses Schiff - er würde eine halbe
Stunde oder mehr brauchen, um überhaupt Fahrt aufzunehmen, und bis dahin waren sie längst in der
Nacht verschwunden.
Langsam stand er auf, atmete ein paarmal tief und
langsam ein und aus und versuchte sich dann einen
Überblick zu verschaffen. In den Planken gähnten
Dutzende von großen, schwarz geränderten Löchern,
wo die Gewehrkugeln eingeschlagen hatten. Zwei Fenster des flachen Ruderhauses waren zerbrochen, die
Reling auf der linken Seite an gleich drei Stellen zerschmettert, und bei genauem Hinsehen glaubte Mike
auch in den großen Segeln etliche Einschußlöcher zu
erkennen - aber wie durch ein Wunder schien keiner
von ihnen auch nur einen Kratzer abbekommen zu
haben.
»Seid Ihr unverletzt, Herr?«
Mike drehte sich herum und sah sich ihrem Retter gegenüber. Zum ersten Mal hatte er jetzt Gelegenheit,
das dunkle, beinahe edel geschnittene Gesicht des
Fremden in Ruhe zu betrachten. Was er vorhin schon
vermutet hatte, wurde nun zur Gewißheit - der Mann
war kein Europäer, sondern Inder wie er selbst. Seine
Haut war sehr viel dunkler als die Mikes und Augen
und Haar tief schwarz.
»Mir ist nichts passiert«, antwortete Mike. »Und den
anderen auch nicht. Aber es war verdammt knapp.«
»Die Götter waren auf unserer Seite«,
bestätigte der
Fremde.
»Ja - und die Deutschen sind noch miserablere Schüt
    zen, als man sich erzählt«, sagte Bens Stimme hinter
Mike.
»Wer sind Sie?« fragte Mike. »Warum haben Sie uns
geholfen? Sie hätten selbst dabei draufgehen können!«
»Und wir auch«, sagte Ben.
»Mein Name ist Ghunda Singh, Herr«, sagte der Fremde. Er legte die Handflächen vor dem Gesicht

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