Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
mehr von mir annehmen wirst. Du kannst meinetwegen weiter meinen Leibwächter spielen oder unseren Kapitän und Steuermann, aber ich will nicht, daß
du dich benimmst, als würdest du mir gehören.«
Singh
nickte demütig. Er widersprach nicht, aber
Mike spürte auch so, daß er sich diesem Befehl nicht so
einfach beugen würde.
»Also gut«, fuhr Mike fort. »Und jetzt kannst du uns
endlich verraten, wohin wir fahren.«
Singh seufzte. »Es tut mir leid, Herr«, sagte er. »Doch
ich fürchte, daß ich das nicht kann. Auch ich kenne
das Ziel unserer Reise nicht genau. Mein Auftrag war,
bis zu Eurem
einundzwanzigsten Geburtstag über
    Euch zu wachen und Euch dann zur Seite zu stehen,
um die Vergessene Insel zu finden.«
»Die Vergessene Insel?«
»Der Name, den Euer Vater für dieses Eiland wählte«,
erklärte Singh. »Sie ist auf keiner Seekarte verzeichnet. Niemand weiß von ihrer Existenz. Auch ich weiß
nur ungefähr, wo sie zu suchen ist. Das Seegebiet, das
Euer Vater mir nannte, ist groß genug, um ein Leben
lang darin nach ihr suchen zu können. Und es heißt,
daß ein Zauber sie beschützt. Die Göttin Kali selbst
wacht über das Erbe, das Euer Vater Euch hinterließ.«
Mike gab sich Mühe, sich seine Enttäuschung nicht
allzu deutlich anmerken zu lassen. »Aber welchen
Sinn soll dieses Erbe haben, wenn niemand weiß, wo
es zu finden ist?« beschwerte er sich.
Singh machte eine
enttäuschte Handbewegung. »Der
Weg war in den Papieren beschrieben, die Euer Vater
für Euch hinterlegt hat«, sagte er. »Ohne sie, fürchte
ich, wird es uns kaum möglich sein, die Vergessene
Insel zu finden.«
»Ja, und die Papiere hat Winterfeld«, sagte Juan. »Also lange Rede, kurzer Sinn - wir können genausogut
aufgeben. Du hast es selbst gesagt - wir können ein
Leben lang nach dieser Insel suchen, ohne sie zu finden. Also ist es nur vernünftig, wenn du uns im nächsten Hafen an Land setzt.«
»Ich fürchte, das wird nicht gehen«, antwortete Singh
in einem Tonfall echten Bedauerns, der aber zugleich
auch keinen Widerspruch zuließ. Er deutete auf Paul.
»Sein Vater besitzt die Papiere meines Herrn. Die Gefahr, daß er sie entschlüsselt und die Position des Eilandes herausfindet, ist zu groß. Das Geheimnis der
Vergessenen Insel darf auf keinen Fall in die falschen
Hände geraten.«
    »Was ist auf dieser Insel verborgen?« fragte Mike.
»Weißt du es?«
Singh nickte.
»Aber du wirst es uns nicht sagen«, fuhr Mike fort,
als er begriff, daß der Sikh von sich aus nicht weiterreden würde.
»Das darf ich nicht«, antwortete Singh.
»Auch nicht, wenn ich es dir befehle?« frage Mike.
»Auch dann nicht«, antwortete Singh. »Es tut mir
leid. Bitte verzeiht mir.«
»Was zum Teufel ist denn das für ein merkwürdiges
Geheimnis?« begehrte André auf. »Du tust ja so, als
stünde das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel.«
»Vielleicht ist das auch so«, antwortete Singh mit
großem Ernst.
Mike schauderte. Und er war ganz offensichtlich nicht
der einzige, den Singhs Worte mit einem Gefühl eisigen Fröstelns erfüllten. Auch die anderen blickten
den Inder überrascht, aber auch entsetzt an.
In Singhs Worten war etwas gewesen, was sie zu einer düsteren Prophezeiung hatte werden lassen.
Und ganz plötzlich hatte Mike Angst.
    Singh stand im Heck des Schiffes, hatte ein Fernrohr
an das rechte Auge gehoben und blickte konzentriert
nach Süden. Es war nicht das erste Mal an diesem
Abend, daß er das tat, und es war auch nicht das erste
Mal, daß Mike ihn dabei beobachtete und sich fragte,
wonach der Sikh eigentlich suchte. Während der letzten drei Tage hatte Mike ihn sehr oft so dastehen sehen.
Mike beschattete die Augen mit der Hand und blinzelte angestrengt in die gleiche Richtung, ohne allerdings mehr als Wolken und das monotone Silberblau
des Ozeans zu erkennen. Sie fuhren jetzt seit drei Ta
    gen nach Norden, wobei sie die meiste Zeit vor dem
Wind kreuzten, manchmal aber auch den kleinen
Hilfsmotor der Jacht benutzt hatten, und er hatte in
diesen drei Tagen nicht viel mehr als eben dies erblickt; vom gelegentlichen Schemen einer Insel oder
der dünnen Linie der Küste, der sie sich ein paarmal
genähert hatten, abgesehen. Während der ersten beiden Tage hatte Mike den Anblick genossen. Er war
ihm gewaltig vorgekommen, ehrfurchtgebietend und
manchmal - wie jetzt, wenn die Dämmerung hereinzubrechen und die Sonne das Meer mit flüssigem Gold
und Rot zu überschütten begann - auch ein bißchen
romantisch. Aber all diese Gefühle

Weitere Kostenlose Bücher