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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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sind die Worte Gottes.«

55.
    C USCO , P ERU A VENIDA DEL S OL O RTSZEIT : 18.44 U HR 24. J ANUAR 1908
    Die Strömung zog Wilson tiefer unter Wasser. Da seine Hände hinter dem Rücken gefesselt waren, konnte er sich nicht gegen Aufprälle schützen, außer dass er sie geschmeidig mit dem Körper abfing. Schon wieder stieß er mit Treibgut zusammen und durchbrach dabei kurz die Wasseroberfläche, wurde aber sofort wieder untergetaucht. Er hatte kein einziges Mal Luft holen können und fürchtete, nicht mehr lange zu überleben. Er hoffte, dass der Strom langsamer werden würde, doch das Gegenteil war der Fall – je länger er darin trieb, desto stärker wurde die Strömung.
    Wegen des hohen Schlammgehalts im Wasser hielt er die Augen geschlossen, während er sich fragte, ob sein Leben so enden würde. Wieder prallte er gegen ein Hindernis. Acht Jahre hatte er in der Vergangenheit zugebracht, um seinen Auftrag in Peru zu erledigen. Acht lange Jahre. Und in nur acht Tagen war alles heillos durcheinandergeraten. Der Inka-Würfel war gestohlen worden und hatte Wahnsinn verbreitet.
    Die unterschiedlichsten Gedanken schossen Wilson durch den Kopf, während er von der Strömung mitgerissen wurde. Ihm kam in den Sinn, wie es sich anfühlte, durch die Zeit zu reisen, und was er durchmachte, wenn er in der Transportkapsel stand. Die Schmerzen von den Laserkanonen waren unerträglich, und zugleich empfand er eine perverse Freude, weil er auf diese Weise dem Leben in seiner Welt entkam. Dann fühlte er sich, als würde er in der Zeit aufgehen, bis er sich schließlich wieder zusammenfügte und in einer Wolke aus Feuer und Rauch wiedererschaffen wurde, zuletzt in den Ruinen von Machu Picchu.
    Wilson drängte es, Luft zu holen, doch er würde nur das schlammige Wasser inhalieren, in dem er trieb.
    Helenas Gesicht schob sich in seine Gedanken. Sie hatte ihn aufgespürt wie angekündigt. Es war ein sonderbarer Trick des Schicksals, der sie zusammengeführt hatte, über eine zeitliche Kluft von über hundert Jahren hinweg. Für ihn würde Helena immer für das stehen, was er an Menschen am meisten schätzte: Entschlossenheit, Mut, körperliche Präsenz. Wenn er jetzt sterben sollte, dann in der glücklichen Gewissheit, dass sie einander berührt hatten. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihre Schicksale so miteinander verknüpft waren und dass ihm dies so viel bedeutete.
    Ihm gingen viele Bilder durch den Kopf, von Erlebnissen und Leuten in seiner Vergangenheit, von den außergewöhnlichen Orten und Dingen, die er gesehen hatte.
    Seine Lungen brannten, schrien verzweifelt nach Sauerstoff.
    Er hatte einmal gelesen, dass Ertrinken eine angenehme Art zu sterben sei. Menschen, die danach wiederbelebt worden waren, erzählten, dass sie beim Inhalieren des Wassers keine Schmerzen gehabt, sondern Ruhe empfunden hätten, als schwebten sie in den Wolken. Erst als man ihnen das Wasser aus der Lunge pumpte, hatten sie schreckliche Qualen gelitten.
    Wie wird es sich anfühlen, in so schlammigem Wasser zu ertrinken?, fragte er sich.
    Er stellte sich Hiram Bingham mit einer Zigarette im Mundwinkel vor, seine hagere Gestalt, seinen Sarkasmus, seine ständigen Beschwerden. Was würde aus ihm werden, wenn er, Wilson, tot war?
    Er dachte an Professor Author, den Mann, der sein Leben grundlegend verändert hatte. Er hatte Wilsons Hirnfunktionen so modifiziert, dass er sich selbst heilen konnte und die Kraft von zwanzig Männern hatte. Das Genie Author, dieser komische kleine Mann, war sein Freund und Mentor.
    Das Bild von Bischof Francisco stieg vor seinem inneren Auge auf, mit rot leuchtenden Pupillen und dem bösen Grinsen, das auf seinen Lippen lag, als Wilson geschlagen wurde.
    Wieder prallte Wilson gegen ein Hindernis, an dem er hängen blieb. Die Strömung zerrte an ihm, zerriss ihm die Kleider, drehte ihn schließlich herum, sodass er loskam und weitertrieb und gleich wieder mit dem Kopf gegen irgendetwas stieß. Er versuchte, nach etwas zu greifen, woran er sich festhalten konnte, hatte aber keinen Erfolg.
    Er war geschwächt und ohne Orientierung.
    Und jeden Augenblick würde er nach Luft schnappen müssen.
    Das wäre zweifellos die Stunde, in der sein Leben endete.
    Ertrinken ist kein schmerzhafter Tod , sagte er sich.
    Plötzlich fühlte er, wie ihn jemand an der Schulter packte, dann am Hosenbein. Er wurde aus dem Wasser gezogen. Treibgut streifte ihn. Sein Kopf kam aus dem Wasser, Wilson riss Augen und Mund auf und holte verzweifelt

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