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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Wilson die Treppe hinaufkam, hörte er den Regen. »Wo bin ich?«, flüsterte er.
    »Unter einem Kloster«, antwortete Helena. »Dort wohnen vermutlich der Bischof und seine Priester. Es ist fünf Minuten von der Plaza de Armas entfernt. In meiner Zeit ist es ein Hotel.«
    »Wenn du beim Bischof bleibst, führt dich das zum Inka-Würfel«, flüsterte Wilson.
    »Tu nichts Unüberlegtes«, entgegnete sie.
    »Wenn ein Mann den Würfel berührt, wird er besessen«, wisperte Wilson. »Wenn eine Frau ihn anfasst, stirbt sie.«
    Als er den Treppenabsatz erreicht hatte, wurde Wilson in den Regen hinausgetrieben. Es war eine Wohltat, das Wasser auf dem Gesicht zu spüren, und er hoffte, damit auch den Gestank aus der Nase zu bekommen, selbst wenn er ihn bestimmt nie vergessen würde.
    »Wohin bringen Sie mich?«, rief Wilson.
    Der Bischof ging direkt vor ihm, drehte sich aber nicht um. Er schlurfte weiter durch den strömenden Regen über einen Kolonnadenhof und an einer großen Zypresse vorbei, die sich im stürmischen Wind bog.
    Alle paar Schritte wurde Wilson mit dem Gewehrschaft gestoßen, manchmal so hart, dass er ins Taumeln geriet. Mit Bingham verfuhren die Soldaten genauso, und Wilson wurde allmählich wütend.
    »Bleib ruhig«, mahnte Helena. »Du wirst deine Chance bekommen.«
    Bischof Francisco führte die Gruppe weiter den Säulengang entlang, dann durch eine Eingangshalle und wieder hinaus in eine Gasse. Das Prasseln des Regens verschluckte alle sonstigen Geräusche. Das Wasser floss in Bächen über das Kopfsteinpflaster.
    Der Himmel war schwarz, nur an manchen Stellen drang ein wenig Tageslicht durch die Wolken, die der Sturm vor sich hertrieb.
    Wilson bekam erneut einen Schlag an den Hinterkopf und tat sein Bestes, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er rückte näher an Bingham heran und schob ihn mit sich. »Wir werden eine neue Welt sehen!«, rief Wilson optimistisch. »Wir haben jetzt einen neuen Gott!«
    Bingham sah ihn von der Seite an. Der Regen klatschte ihm in sein unrasiertes Gesicht. »Sie sind nicht mehr bei Trost«, murmelte er. »Wir werden sterben.«
    Sie bogen um eine Ecke und gingen an aufgeschichteten Sandsäcken vorbei, wo drei Soldaten postiert waren. Durch den peitschenden Regen sah Wilson, dass sie auf die Plaza de Armas gelangt waren. Der Bischof wusste offenbar, dass bei schwerem Regen das Wasser zur Südecke floss, und steuerte die drei Kirchen darum von Norden an.
    Zur Linken konnte Wilson vor dem düsteren Nachmittagshimmel die Silhouette der Kathedrale oberhalb der Treppe ausmachen. Rings um sie herum befand sich ein Wall von Sandsäcken. Doch von den Säcken unterhalb der Treppe waren etliche von dem braunen Strom weggerissen worden, der von Norden nach Süden über den Platz floss. Das Wasser rauschte dort mit etwa fünfzig Stundenkilometern entlang und erinnerte unwillkürlich an den Urubamba.
    Der Regen, der über der Stadt niederging, war so dicht, dass es Wilson schwerfiel zu atmen und er den Kopf senken musste. Die Soldaten und der Bischof hielten sich die Hände vor Nase und Mund.
    Immer wieder war Donnergrollen zu hören.
    Dann fuhr ein solcher Blitz aus den Wolken, dass jeder zusammenzuckte.
    Das war der Augenblick, auf den Wilson gewartet hatte.
    Er drehte sich um, rammte Gonzales mit der Schulter und stieß den kleinen Mann mühelos um. Mit einem Roundhouse-Kick traf er einen weiteren Soldaten mit seinem Stiefel am Kopf. Der Mann prallte gegen zwei Kameraden, sodass alle zusammen die Treppe hinabfielen.
    Da Wilsons Hände auf seinem Rücken gefesselt waren, war er in seinen Bewegungen eingeschränkt. Dennoch schaffte er es, über die Stürzenden hinwegzuspringen und sicher auf dem Pflaster zu landen. Noch ein Schritt, dann machte er einen weiten Satz über die hüfthohen Sandsäcke und kam wenig elegant auf den Kopfsteinen auf. Als er sich aufrichtete, hörte er Schüsse; die Kugeln pfiffen rechts und links an ihm vorbei. Direkt vor ihm rauschte der reißende, schlammig braune Strom. Wilson holte tief Luft und stürzte sich mit einem Kopfsprung hinein.
    Helena stand mit offenem Mund da. Wilson hatte sich soeben in den Strom geworfen, während weiter auf ihn geschossen wurde. Sie war vom Gewehrfeuer schon so gut wie taub. Auch in der Gegenwart floss das reißende Wasser zum tiefsten Punkt des Platzes im Süden und teilte ihn in zwei Hälften. Helenas erster Gedanke war, sich gleichfalls in die Wassermassen zu stürzen, aber Chad und Hanna hielten sie zurück.

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