Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube
sie konsumieren, ist das nicht einfach. Einige sind schon fünf Mal im Waschraum gewesen, seit wir eingestiegen sind.«
»Sie sollten nicht über die anderen Passagiere reden«, mahnte Pablo mit besorgter Miene. »Besonders nicht über die dort. Sie fahren ziemlich häufig mit diesem Zug. Sie gehören zu einer mächtigen Familie. Jeder kennt sie.«
»Ich halte ein Auge auf sie«, erwiderte Chad zwinkernd. »Also, keine Sorge.«
»Auf diesem Streckenabschnitt gibt es viele Serpentinen«, sagte Pablo mit ausholender Gebärde. Offensichtlich wollte er unbedingt das Thema wechseln. »Das ist der steilste Teil der Fahrt ins Tal.«
Helenas Kopfschmerzen waren schlimmer geworden, und ihr war übel, was für sie ganz untypisch war. Plötzlich bremste der Zug, und das viel heftiger als gewöhnlich. Jeder machte einen Ruck nach vorn, und ein paar Gläser kippten um. Es gab ein kurzes Murren, ein paar spitze Schreie und sogar Gelächter. Kellner und Kellnerinnen eilten mit Servietten herbei, um Vergossenes trocken zu wischen. Der Regen trommelte weiter aufs Dach.
Die Zeit verrann, aber der Zug setzte sich nicht wieder in Bewegung.
Nach den Mienen des Personals zu urteilen, war das keine vorgesehene Stelle für einen Halt des Zuges. Helena wischte das Fenster erneut frei, um in den Regen hinauszuschauen. Sie standen auf relativ flachem Gelände. Neben dem Gleis war eine Wiese, auf der eine einfache Holzhütte stand. Rötliche Felsbrocken verschiedener Größe lagen ringsum verstreut. Pablo wischte die Scheibe auf der anderen Gangseite frei. Dort blickte man auf eine Felswand, die unheildrohend im Regendunst aufragte. Es hatte den Anschein, als wären die Felsbrocken vor vielen Jahren von dort heruntergestürzt und auf der Wiese liegen geblieben. Einige waren an die drei Meter hoch.
»Scheint mir kein guter Platz zum Halten zu sein«, bemerkte Chad.
» Las rocas estan bloqueando el camino! «, rief ein Mann.
»Es liegen Felsbrocken auf den Gleisen«, übersetzte Pablo besorgt. Helena konnte so gut Spanisch, dass sie den Satz selbst verstanden hatte.
Die Situation wurde weiter auf Spanisch erörtert, dann rief jemand: » Todos los hombres deben ayudar a moverlas! «
»Das Zugpersonal soll sich draußen versammeln. Die Steine müssen beiseitegeschafft werden«, erklärte Pablo mit einem kurzen Blick durch den Waggon. »Ich bin sicher, das ist kein Problem.«
Helenas Kopfschmerzen verschlimmerten sich weiter, während der Zug stand. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie aufstehen und umhergehen sollte, um sie loswerden. Doch es standen Leute im Gang, und sie wollte nicht ins Gedränge. Erneut wischte sie das Kondenswasser von der Scheibe und musterte die verwitterte Hütte auf dem Feld. Ringsum war alles überwachsen, die Tür war aus den Angeln gebrochen, und ein paar Dachschindeln fehlten.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte Pablo.
»Ist der Platz hier sicher?«, fragte Chad wieder.
»Es wird nichts passieren«, antwortete Pablo. »Das Personal räumt die Steine weg. Wir werden in Kürze weiterfahren können. So etwas ist schon öfter vorgekommen.«
Helena stand auf und knöpfte sich die Wanderweste zu. »Ich gehe nach draußen und sehe mich ein bisschen um.« Sie versuchte, munterer zu klingen, als sie sich fühlte.
»Das dürfen Sie nicht«, wandte Chad ein. »Hier besteht Steinschlaggefahr, besonders bei diesem Regen.«
Pablo pflichtete ihr bei. »Sie sollten hier drinnen bleiben. Das ist viel sicherer.«
»Ich gehe nach draußen«, beharrte Helena. Sie hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. »Ich bin schon viel zu lange hier eingepfercht.«
»Das halte ich wirklich nicht für eine gute Idee ...«
»Chad«, sagte Helena ernst. »Sie können hier warten oder mitkommen. Ich gehe auf jeden Fall nach draußen. Ich werde noch wahnsinnig vor Kopfschmerzen und brauche frische Luft.«
Chad und Pablo wechselten einen Blick.
»Ich kann Ihnen Tabletten besorgen«, schlug Pablo vor. »Draußen werden Sie nur nass. Es schüttet wie aus Eimern!«
»Ich brauche bloß ein wenig frische Luft und einen kleinen Spaziergang«, erwiderte Helena. »Der Regen macht mir nichts aus. Sie sollten gehen und den anderen beim Räumen helfen.«
»Ich besorge uns einen Schirm«, sagte Chad.
Der Dienstleiter versuchte, die Frauen höflich am Aussteigen zu hindern, doch Chad hatte auf Helenas Befehl hin die Wagentür geöffnet und trat mit ihr auf die Verbindungsplattform zwischen den Waggons. Das Prasseln des Regens war
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