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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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lange. Helena trat einen Schritt auf die Halluzination zu. Das Feuer loderte hoch, aber sie spürte die Hitze nicht. Sie musterte Wilsons Gesicht und seine Haare, die ein Stück gewachsen waren. Seine Hände waren genau wie in ihrer Erinnerung, seine Bewegungen zielgerichtet und kraftvoll. Er hatte einen Lederranzen neben sich, und seine Stiefel lagen am Feuer, damit sie trockneten.
    Sie hörte nichts von dem, was Wilson sagte, aber ein warmes Gefühl strömte durch ihre Brust, als sie ihn sprechen sah. Sie erinnerte sich an die vielen Gespräche mit ihm und daran, wie sehr sie den Klang seiner Stimme geliebt hatte. Sie hätte ihn gern angesprochen, aber natürlich würde er sie nicht hören oder antworten können.
    Wilson stand auf und machte sich daran, die feuchten Kleidungsstücke an den Dachbalken umzudrehen. Helena nahm die Gelegenheit wahr, seinen nackten Oberkörper zu betrachten, und ging unwillkürlich noch weiter auf ihn zu.
    Plötzlich spürte sein Blick sie auf.
    Sie sah unerwartetes Erkennen in seinen Augen.
    Kann er mich sehen?, fragte sie sich, mitten im Feuer stehend.
    Wilson streckte die Hand nach ihr aus, als wollte er sie ertasten. Es schien etwas sagen zu wollen, aber dann ließ er stirnrunzelnd die Hand sinken, als wäre die Verbindung zwischen ihnen abgebrochen.
    Chads Stimme holte Helena in die Wirklichkeit zurück. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Helenas Vision verblasste, und sie sah Chad vor sich stehen. So sehr sie sich auch konzentrierte, die unerwartete Verbindung ließ sich nicht wiederherstellen.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Chad.
    »Doch, doch«, antwortete Helena schließlich. Sie blickte sich in der Hütte um. Die Wände waren an manchen Stellen verfault, Spinnweben hingen kreuz und quer im Dachstuhl, und über allem lag eine dicke Staubschicht. Durch die Ritzen der morschen Bodendielen waren einige Grasbüschel gewachsen. Wo sich die Wandbretter verzogen hatten, drang Licht herein, und durch die Löcher im Dach fiel der Regen.
    »Hier riecht es furchtbar«, stellte Chad angewidert fest.
    Helena schob mit der Stiefelkante Schmutz beiseite, bis die nackten Bodendielen zum Vorschein kamen. Dann trat sie in die Mitte der Hütte, wo sie das Feuer hatte brennen sehen, und kratzte auch dort den Staub weg. Sie war nicht überrascht, die Bodendielen an der Stelle verkohlt zu sehen.
    Wilson ist tatsächlich hier gewesen, dachte sie.
    Chad schaute nach draußen. »Ohne Schirm werde ich gleich klitschnass sein.« Sie zog sich den Poncho aus und reichte ihn Helena. »Hier, ziehen Sie sich den über. Sie hätten die Kopfschmerztablette nehmen sollen und wären besser im Wagen geblieben. Dann wäre jetzt alles einfacher, wissen Sie?«
    Doch verblüffenderweise waren Helenas Kopfschmerzen besser geworden, und ihre Übelkeit war ganz verschwunden.

10.
    A NDEN , P ERU
48 K ILOMETER NORDWESTLICH VON C USCO
O RTSZEIT : 22.23 U HR
16. J ANUAR 1908
    Endlich brannte das Feuer zuverlässig, und Rauch stieg zwischen den Dachbalken auf. Wilson und Bingham mussten die Köpfe ducken, um ihn nicht einzuatmen. Zum Glück rauchte das Feuer allmählich schwächer, da die Feuchtigkeit aus den Holzscheiten verschwunden war, doch sie knackten und fauchten wie eine wütende Katze, und ab und zu knallte es sogar.
    Wilson schnupperte an einer geöffneten Sardinendose und drehte die Nase weg. Die Sardinen rochen grauenhaft, aber essen musste er, und so stach er die Gabel in den öligen Fisch und würgte ihn hinunter. Zum Glück schmeckte er nicht so scheußlich, wie er roch, wenn man ihn erst einmal im Mund hatte.
    Das Feuer brannte auf sorgfältig aufgeschichteten Steinen, zwischen denen Wilson Lücken gelassen hatte, damit die Flammen Luft bekamen. Er hatte trockene Holzspäne unter den Dielen gefunden, doch die hatten nicht gereicht, um die erforderliche Hitze zu erzeugen, damit die Scheite Feuer fingen. Schließlich hatte er etwas von ihrem kostbaren Kerosin für die Sturmlampe aufs Holz gegossen, aber nicht einmal das brachte das Feuer in Gang. Auch war es keine Hilfe, dass Bingham sich ständig beklagte, wie kalt und durchnässt und müde er war.
    »Völlig töricht, mitten in der Regenzeit in die Berge zu ziehen«, brummte er immer wieder. »Ich habe ja gesagt, Sie sollen warten.« Sein Ivy-League-Akzent machte die Bemerkungen noch ärgerlicher.
    Wilson hatte wunde Finger vom vielen vergeblichen Feuerschlagen. Schließlich war er gezwungen, trotz Dunkelheit und Regen wieder nach draußen zu gehen

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