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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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hinübertragen können. Das ist unter meiner Würde. Ich werde es aus eigener Kraft tun.«
    Wilson zog an den Ranken, suchte die stärkste aus und führte sie mit sich, während er weiter stromaufwärts ging, weg vom Schwenkpunkt. »Ich komme wieder«, sagte er zuversichtlich.
    »Und wenn Sie es nicht schaffen?«, rief Bingham hinterher.
    »Dann sind Sie auf sich allein gestellt!«, rief Wilson zurück. Bingham lachte schroff. »Das ist nicht witzig, wissen Sie?«
    Auf der anderen Seite blickten Aclla und Sontane durch den Dunst zu den weißen Männern hinab. Der Blauäugige, Wilson Dowling, prüfte eine Ranke auf ihre Belastbarkeit und redete dabei mit dem Hageren, Hiram Bingham, der ein komisches Gesicht machte. Aclla kannte inzwischen ihre Namen. Sie hatte einen von Gonzales’ Soldaten entführen lassen, als diese aus dem Heiligen Tal abzogen. Bis zur zerstörten Brücke hatten sie die Fremden verfolgt. Dann hatten Acllas Kriegerinnen in der Dämmerung einen Mann gefangen und mitgenommen. Was er ihnen verriet, war von unschätzbarem Wert für sie. Danach hatte Aclla befohlen, ihm die Kehle durchzuschneiden.
    »Ich habe geahnt, dass der Blauäugige hierher finden würde.« In Acllas Stimme schwang leiser Triumph.
    Sie lag neben Sontane im Unterholz. Körper und Gesicht hatten sie sich mit zerdrücktem Moos eingerieben, sodass sie so grün aussahen wie der Wald. Aclla hatte Polix und Sepla nach Quente, ihrem Außenposten, geschickt, um die katastrophale Nachricht zu überbringen, dass Fremde in das Gebiet von Vilcabamba vorgedrungen waren. Der Außenposten lag einen halben Tagesmarsch entfernt auf einem Berg, von wo man das gewundene Tal in beide Richtungen überblicken konnte. Quente war das Quechua-Wort für Kolibri. Von den Vögeln gab es viele auf der Ostseite der Festung, die dem Flussbecken zugewandt war. Am frühen Morgen schwirrten sie durch die Stadt und sättigten sich an den Blüten auf den bepflanzten Terrassen.
    Aclla sah zu, wie Wilson zum höchsten Punkt der Schlucht kletterte; die Ranke, die er mit sich führte, hing jetzt in einem Winkel von etwa fünfundvierzig Grad. Nachdem er auf die Spitze eines Felsens gelangt war, packte er die Ranke mit beiden Händen, trat bis an die Felswand zurück und schwang sich dann mit bewundernswerter Kraft über die Felskante. Er hielt nicht einmal inne, um sich auf seinen Flug einzustellen; er sprang einfach, als hätte er gar keine Angst.
    Schnell flog er in einem Bogen über das schäumende Wasser. Die Ranke trug ihn auf die andere Seite, wo er mit den Füßen aufsetzte und über das Geröll auslief. Während er noch immer eine Hand an der Lantana-Ranke hatte, kam er allmählich zum Stehen. Ruhig band er sie an eine andere und machte sich dann auf die Suche nach den stärksten Ranken, die es an dieser Uferstelle gab.
    Aclla und Sontane wechselten einen Blick. Sie fragten sich beide dasselbe: Was für ein Mensch ist das?
    Wilson suchte vier Ranken aus, prüfte ihre Belastbarkeit und knotete sie locker zusammen. Dann band er das Bündel an seine Taille, packte die Ranke, mit der er gekommen war, und begann, zur höchsten Stelle des Ufers hinaufzusteigen. Es war ein tolles Gefühl, sich über den Fluss zu schwingen, und er freute sich auf den Rückweg. Er liebte die Gefahr und den klaren Kopf, den er hatte, wenn er sich ihr stellte.
    Kurz vor dem Sprung vergewisserte er sich, dass das Rankenbündel genug Spiel hatte, dann schwang er sich erneut über das schäumende Wasser. Seine Flugbahn war perfekt. Er landete rennend neben Bingham. Er löste die vier mitgebrachten Ranken von seiner Taille und befestigte sie an der Felswand. Sofort begann er, nach einem geeigneten Ast zu suchen, aus dem sich ein Sitz für Bingham machen ließe.
    Bingham kam an seine Seite und zeigte mit dem Finger auf ihn. »Woher kommt ein Mensch wie Sie bloß?« Er klang frustriert. »Was Sie gerade getan haben, sollte eigentlich niemand können! Niemand.« Er schnaubte und stampfte mit dem Fuß auf. »Es sah derartig mühelos aus!«
    »Sie brauchen sich nur daraufzusetzen«, erklärte Wilson und zeigte ihm ein glattes Stück Ast, in das sich mit dem Messer Löcher bohren ließen. »Vertrauen Sie mir.«
    Bingham hob den Blick zum Himmel und stieß einen Wutschrei aus. »Ich kann kaum glauben, dass ich überhaupt mit Ihnen in den Urwald gezogen bin! Ihnen vertrauen! Was für ein Witz!«
    »Haben Sie Angst?«, fragte Wilson.
    »Angst? Ich mach mir gleich in die Hosen!«

24.
    A NDEN , P ERU
82 K

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