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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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bitteren Geschmack im Mund.
    Leise lächelnd wandte der Bischof den Blick ab und ging weiter Weihwasser sprengend und betend den Gang hinunter.
    Sarita wischte sich die Tropfen ab und bekreuzigte sich. »Warum hast du nicht Amen gesagt?«, fragte sie verwundert und neigte sich zu ihm, damit sie kein anderer verstand. »Das Weihwasser hat dich getroffen, das weiß ich genau. Warum wolltest du nicht Amen sagen?«
    »Dieses Wasser ist nicht heilig«, antwortete Gonzales, und seine Hände zitterten.
    »Was meinst du damit?«
    Gonzales traten die Tränen in die Augen, und Schweiß schimmerte auf seiner Stirn. »Hier liegt etwas schwer im Argen, Liebste. Du musst mir vertrauen, wenn ich das sage. Wir hätten nicht herkommen sollen.«
    Sarita fasste ihrem Mann an die Stirn. »Du bist kochend heiß«, flüsterte sie. »Ich muss dich sofort nach Hause bringen.«
    Der Bischof und seine Priester waren bis ans Ende der Kirchenbänke gelangt und kehrten nun zum Altar zurück. Gonzales schob die Hand seiner Frau weg und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wir bleiben!«, sagte er und fühlte seine Kraft zurückkommen. »Mach dir meinetwegen keine Sorgen«, flüsterte er. Dann drückte er ihren Oberschenkel so fest, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als zu gehorchen.
    Bischof Francisco stieg langsam die Stufen zum Hochaltar hinauf und schaute auf seine Gemeinde hinab. »Dies sind dunkle Zeiten für Cusco«, sagte er, und seine tiefe Stimme schallte in alle Winkel der Kirche. »Es ist eine Prüfung eures Charakters.« Wieder fiel sein Blick auf Gonzales. »Jesus offenbart Gottes Gnade durch Mitgefühl und Heilung. Wenn Menschen verletzlich sind und ohne Freunde, fällt es ihnen schwer, Gottes Gnade zu begreifen. Die Unschuldigen haben Mühe, in einer Welt voll böser Menschen zu überleben, und werden häufig wie Lämmer zur Schlachtbank geführt.« Er sprach nun sehr langsam. »Sie werden verachtet und bemitleidet. Aber Christus spricht: Ich war hungrig und durstig. Ich war fremd. Ich war unschuldig. In Matthäus 25 sagt er diese Worte zu den Leuten, die ihn am meisten brauchten – zu den Geknechteten, den Schwachen, den Kranken, den Trauernden und den in Sünde Verstrickten. Er antwortet mit Schutz und unendlichem Mitgefühl. Das will ich jedem von euch zusagen. Das ist Gottes Zusage an diesem Tag. In Christi Namen, Amen.«
    Wieder stieg Monseñor Domingo in die erhöhte Kanzel. »Bitte erhebt euch zum Glaubensbekenntnis«, sagte er mit ausgestreckten Armen.
    Als alle standen, begannen sie: »Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde.«
    Gonzales stand als Letzter von seinem Platz auf. Er gab sich Mühe, mitzusprechen, aber er war abgelenkt und verlegen, weil ihm der warme Urin am Bein hinunter in den Stiefel sickerte. Als er sich einigermaßen gefasst hatte, sprach er langsam mit den anderen mit.
    »Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.«
    Gonzales nahm seinen Offizierssäbel in die Hand, der ihm schwer wie ein Felsbrocken vorkam. Da er sich völlig entkräftet fühlte, musste er den Säbel neben sich auf die Bank legen.
    Er war verflucht worden, das wusste er genau.

32.
    A NDEN , P ERU M ACHU P ICCHU O RTSZEIT : 16.10 U HR 19. J ANUAR 1908
    Der Himmel war tiefblau und wolkenlos. Am westlichen Horizont schien die Sonne auf die schneebedeckten Berge und auf die zahllosen dicht bewaldeten Talhänge. In seinem ganzen Leben hatte Wilson kein so grandioses Panorama gesehen. Die Anden waren wahrhaft atemberaubend, ebenso die Intensität des Lichts, das in den schattigen Urwald drang.
    Wegen der Hitze hatten Wilson und Bingham sich die Jacken um die Taille gebunden und ihre Hemden aufgeknöpft. Die Feuchtigkeit war lähmend, und sie taten ihr Möglichstes, um sich beim Aufstieg abzukühlen.
    »Ist das zu glauben?« Bingham betrachtete die Aussicht. »Wenn Michelangelo jetzt hier wäre, würde er den Himmel in der Sixtinischen Kapelle neu malen. Ich meine, sehen Sie sich diesen Berg an – das muss doch vom Gipfel bis zum Fluss ein Höhenunterschied von fast achthundert Metern sein. Und wie der Fluss sein Bett um ihn herum gegraben hat.« Er machte eine fließende Handbewegung.
    »Dieser knorrige Berg ist übrigens der Huayna Picchu.« Wilson hatte die Hände in die Hüften gestemmt. »Der Fluss beschreibt eine Schleife, sodass die Stadt von drei Seiten

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