Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
Dienstagnachmittag damit verbracht hatte, den Reporter aufzuspüren, der den Artikel über die Damen Teck und von Liebscher verfasst hatte. Dies hatte sich als schwieriges Unterfangen erwiesen, da Stellfeldt bei der Zeitung zunächst auf keinerlei Hilfsbereitschaft gestoßen war. Er musste erst klarstellen, dass er in einem Mordfall ermittelte, bis es ihm endlich gelang, dem Chefredakteur den Sachverhalt aus der Nase zu ziehen.
Es stellte sich heraus, dass der Journalist, der den Artikel verfasst hatte, seit fast fünf Monaten nicht mehr bei der Zeitung arbeitete, unter anderem, da die Meldung über Frau von Liebscher gänzlich in die Hose gegangen war: Obwohl der Reporter beteuert hatte, die Informationen aus erster Hand zu haben, und auch über eindeutiges Bildmaterial zu verfügen, welches das angebliche Verhältnis untermauerte, konnte er nichts davon präsentieren, als Frau von Liebschers Anwalt der Zeitung mit einer Verleumdungsklage gedroht hatte.
Nachdem Stellfeldt den Journalisten endlich aufgespürt hatte, erklärte der Mann zunächst brüsk, er könne sich nicht mehr an den Vorfall erinnern. Erst als Stellfeldt ihm sanft die Daumenschrauben anlegte, lenkte der Reporter ein.
Vor über einem halben Jahr hatte er von einem Bekannten gehört, dass dessen Stammtischkollege immer wieder Geschichten über Sieglinde von Liebscher in die Welt hinausposaunte. Es stellte sich heraus, dass der Mann eine Wohnung im gleichen Haus besaß. Was den Reporter jedoch überzeugt hatte, war, dass der Mann sich im Besitz zweier Fotos und eines Briefes befand. Außerdem hatte sich der Typ bereit erklärt, sich als Quelle zur Verfügung zu stellen. Als es jedoch darauf ankam, rückte er sein Beweismaterial plötzlich nicht heraus, sondern behauptete sogar, es nicht mehr zu besitzen. Der Journalist war sich daher sicher, dass im Hintergrund Geld geflossen sein musste. An den Namen des Mannes konnte sich der Reporter angeblich jedoch nicht mehr erinnern.
»Sollten wir ihn schriftlich vorladen?«, fragte Wünnenberg in die Runde. »Vielleicht hilft das seinem Gedächtnis auf die Sprünge.«
»Ich glaube nicht, dass das etwas bringt. Meiner Meinung nach hat er gesagt, was er bereit war zu sagen – mehr wird er uns auch hier nicht erzählen. Außerdem kann ich mir nicht zusammenreimen, wie Siebert im gleichen Haus gewohnt haben soll wie Frau von Liebscher.«
»Das kann ich euch erklären«, mischte sich Hackenholt in die Diskussion und berichtete, was er am vorherigen Abend von Sophie erfahren hatte.
»Dann könnte es also doch Siebert gewesen sein, der dem Reporter die Informationen zugespielt hat«, stellte Wünnenberg fest, nachdem der Hauptkommissar geendet hatte. »Was ist, wenn wir an dem Punkt die fünfzigtausend Euro in Sieberts Bankschließfach ins Spiel bringen?«
»Ja, an die habe ich auch gerade gedacht«, stimmte Stellfeldt zu.
»Wann hat er das Geld im Schließfach deponiert?«, wollte Hackenholt wissen.
»Einen knappen Monat nachdem der Zeitungsartikel erschienen ist«, antwortete Wünnenberg.
»Aber wie passt das damit zusammen, dass Siebert behauptet hat, von Liebscher wäre seine neue Freundin?«, wandte Berger ein.
»Mit der Aussage müssen wir vorsichtig sein«, meinte Hackenholt, »das war nur die Interpretation der Stammtischkumpel. Wer weiß, was Siebert tatsächlich im Schilde geführt hat. Vielleicht dachte er, er könnte Frau von Liebscher weiterhin erpressen. Dann müsste er allerdings irgendwo Material gehabt haben, mit dem er sie unter Druck gesetzt hat.«
»Wie schaut es mit Sieberts Computer aus? Gibt es da nicht vielleicht eine Datei, die uns weiterhilft?«, fragte Wünnenberg nach.
»Da sitzt ein Kollege von der Fachabteilung drüber«, erklärte Mur. »Einen Großteil hat er sich schon angeschaut. Bislang war aber nichts Brauchbares dabei. Einen anderen Teil muss er erst noch entschlüsseln. Siebert hat den Zugang zu manchen seiner Dateien recht gut geschützt. Außerdem habt ihr selbst gesehen, wie viele Datenträger in dem kleinen Zimmer herumlagen.«
»Was ist gestern eigentlich bei deinem Besuch in der Taxizentrale herausgekommen?«, wandte sich Hackenholt an Wünnenberg.
»Nichts, was uns weiterhilft. Es sind zwar Taxis nach Rehhof gefahren, aber die, die vor halb zwölf dort jemanden abgeholt haben, musste ich mir gar nicht anschauen, denn zu dem Zeitpunkt haben die Eheleute Siebert/Runge ja nachweislich gestritten. Zwischen dreiundzwanzig Uhr dreißig und eins waren nur zwei
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