Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
nachdenklich an. »Glauben Sie, dass es ein männlicher Täter war?«
»Es kann sowohl eine Frau als auch ein Mann gewesen sein.«
»Denken Sie das wirklich?«
»Sie nicht?«
»Ich habe keinerlei Erfahrung mit Mord. Deswegen kann ich dazu nichts sagen, aber Schmierseife verbinde ich mit einer Frau. Ich kann mir keinen Mann vorstellen, der Treppenstufen mit Schmierseife bestreicht. Sind Männer nicht viel direkter? Würde ein Mann nicht sofort angreifen und sein Opfer überrumpeln?«
»Machen Sie weiter«, ermunterte Hackenholt sie, als sie innehielt.
»Eine Frau, vor allem wenn sie nicht sonderlich groß oder kräftig ist, würde es sich vielleicht nicht zutrauen, einen Mann anzugreifen, auch wenn sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hätte und wüsste, dass er angetrunken ist. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass eine Frau sich überlegt, ihr Opfer zu Fall zu bringen, um sich dann auf ihn zu stürzen. Bei einem Mann fände ich den Gedanken absonderlich.«
Hackenholt nickte zustimmend. Sophie fasste gerade seine eigenen Gedanken in Worte. »Ich sehe es genauso. Aber ich kann die Ermittlungen jetzt noch nicht einengen, dann wäre die Gefahr zu groß, dass wir etwas übersehen«, erklärte er ihr. »Andererseits ist es nämlich für eine Frau äußerst ungewöhnlich, dem Opfer den Hals zu brechen.«
Sophie dachte einen Moment über das Gesagte nach, dann seufzte sie. »Und jetzt wollen Sie von mir etwas über die Frauen in unserem Haus wissen.« Sie holte tief Luft. »Nun, da haben wir Susanne Rauch. Über die kann ich Ihnen am wenigsten erzählen, weil sie noch nicht so lange hier wohnt. Meiner Meinung nach ist sie ziemlich fertig, weil sie ihre Wohnung ausgebaut hat und nicht wusste, dass eine komplette Dachsanierung anstand. Ich habe sie aber eher als ein Häufchen Elend erlebt und kann sie mir schlecht mit so fiesen Rachegelüsten vorstellen, die bis zu einem Mord reichen.
Das gleiche gilt für Carina Jakobi. Sie ist sicher keine Frau, die sich von jemandem die Butter vom Brot stehlen lässt, aber ich kann mir keinen Grund vorstellen, der sie so wütend machen würde, dass sie einen Mord begeht.«
»Siebert soll eins ihrer Gemälde zerstört haben«, gab Hackenholt zu bedenken.
»Lassen Sie das soll weg, dann stimmt der Satz«, bestätigte Sophie. »Ich an Carinas Stelle hätte ihn angezeigt und das Bild bezahlen lassen. Natürlich war sie wütend, aber einen Mord würde sie wegen ihrer Kunstwerke nicht begehen. Ich glaube manchmal, sie hängt gar nicht so übertrieben an den Bildern – da ist viel Show dahinter.«
»Was ist mit Familie Schwartz?«
Sophie winkte sofort ab: »Die Kinder sind kleine Halbstarke, aber dennoch vergleichsweise relativ vernünftig. Die metzeln sich höchstens gegenseitig nieder und treiben ihre Mutter in den Wahnsinn. Rüdiger kam immer recht gut mit Peter aus. Die Schwartz’ haben sich wirklich am besten von allen hier im Haus mit ihm verstanden.«
»Dann haben wir noch Patricia Teck«, leitete Hackenholt Sophies Gedanken zur letzten Hausbewohnerin weiter.
»Ich weiß nicht. Das scheint mir alles so weit hergeholt. Ich kann es mir bei keinem im Haus vorstellen. Mit Patricia bin ich ganz gut befreundet. Sie hat mir immer wieder den Rücken gestärkt, wenn ich mich mit Peter angelegt habe. Warum sollte sie ihn so hassen, dass sie ihn umbringt?«
»Erzählen Sie mir etwas über sie«, bat Hackenholt.
»Auf den ersten Blick mag sie manchmal ein bisschen überzogen und weltfremd wirken, aber sie meint es normalerweise nicht so. Sie hatte früher einen ziemlich verantwortungsvollen Posten, und der fehlt ihr sehr. Sie ist unheimlich hilfsbereit und freundlich, solange man sie nicht ausnutzen will. Da ist sie empfindlich.«
»Wie stand sie zu Herrn Siebert?«
»Sie ist mit ihm wesentlich besser ausgekommen als ich«, gab Sophie zu, »und hat sich immer sehr um eine neutrale Haltung bemüht. Natürlich hat er sie manchmal genervt, wenn sie nachts schlafen wollte und es in seiner Wohnung mal wieder hoch herging, aber sonst hatte sie keine Probleme mit ihm.«
»Wissen Sie, warum sie in Pension ist? Sie ist doch noch gar nicht so alt.«
»Sie hatte große gesundheitliche Probleme. Was das genau war, weiß ich nicht. Ich habe sie nie danach gefragt, und sie hat es selbst auch nicht erwähnt, aber sie war fast ein halbes Jahr lang weg und hat sich seither verändert. Sie ist nicht mehr so belastbar wie früher.«
»In unseren Ermittlungen ist der Name Sieglinde von
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