Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
anzumerken, dass sie nicht darüber sprechen wollte. Hackenholt ließ ihr die Zeit, die sie brauchte. Schließlich rang sie sich doch zu einer Antwort durch.
»Eines Nachts kam Peter völlig betrunken nach Hause und hatte Jürgen wieder mitgebracht, obwohl wir besprochen hatten, dass das nicht mehr vorkommen sollte. Beide waren aufgekratzt und völlig von der Rolle. Peter hatte sich schon ausgezogen und wollte sich zu mir ins Bett legen. Jürgen war dabei, das gleiche zu tun. Als ich ihn anschrie, dass er in meinem Schlafzimmer nichts verloren hat, sagte Peter, dass ich mich nicht so zieren soll, Jürgen sei schließlich sein Freund und was ihm gehört, dürften auch seine Freunde benutzen. Damit hat er mich gemeint. Er glaubte wirklich, ich würde mit ihm und Jürgen ins Bett gehen. Dann wurde er handgreiflich.
Ich habe mich gewehrt und es mit knapper Not geschafft, aus der Wohnung zu laufen. Für die Nacht bin ich bei der Nachbarin im Dachgeschoss untergekommen, aber mir war klar, dass der Abend auch ganz anders hätte enden können. Am nächsten Morgen habe ich mich in die Wohnung geschlichen, während die beiden noch geschlafen haben und in aller Eile zwei Koffer zusammengepackt. Dann bin ich weggegangen und habe Peter nur noch ein einziges Mal gesehen.«
»Wie hat Herr Siebert reagiert, als er feststellte, dass Sie Ihre Sachen gepackt hatten?«
Ihr Gesicht verdunkelte sich bei dem Gedanken daran. »Es war schrecklich. Er kam zu mir in die Arbeit und hat dort eine riesige Szene gemacht. Er ist mit den Fäusten auf mich losgegangen, und wenn nicht zwei Kollegen eingegriffen hätten, hätte er mich sicher krankenhausreif geschlagen. So habe ich nur ein blaues Auge abbekommen. Ich bin noch am selben Tag nach München gefahren. Von Peter Siebert habe ich nie wieder etwas gesehen oder gehört.«
»War Herr Siebert jemals zuvor gewalttätig?«
»Wenn er getrunken hatte, war er immer anders, aber es war das erste Mal, dass er so weit ging, und ich wollte das kein zweites Mal erleben.«
»Als Herr Siebert die Wohnung gekauft hat, hat er eine Lebensversicherung abgeschlossen. Wussten Sie davon?«
»Nein«, sagte sie schlicht. »Er hat das mit der Wohnung und dem Kredit allein entschieden, ohne dass ich bei irgendeinem Termin dabei gewesen wäre oder irgendeine Unterschrift hätte leisten müssen. Ich weiß nicht einmal, wie viel die Wohnung gekostet hat.«
»Sie wissen also auch nicht, wer als Begünstigter in der Lebensversicherung benannt wird?«
Sie schüttelte nur den Kopf.
»Hat Herr Siebert damals, als Sie mit ihm zusammengelebt haben, ein Testament gemacht?«
Sie musste einen Moment nachdenken, dann antwortete sie: »Ich weiß von keinem, und ich kann es mir auch nicht vorstellen.«
»Frau Brunner, vielen Dank, dass Sie so offen zu uns waren. Bitte verstehen Sie meine letzte Frage daher nicht falsch. Es ist wirklich reine Routine«, betonte Hackenholt. »Können Sie mir sagen, wo Sie am letzten Freitag zwischen elf Uhr nachts und zwei Uhr morgens waren?«
Ihre Antwort kam ohne Zögern. »Ich war mit meinem Mann in Salzburg. Wir sind erst gegen Mitternacht aus einer Theatervorstellung in unser Hotel zurückgekommen.«
Nach einem schnellen Mittagessen in der Kantine fuhren Hackenholt und Berger zu Frau Damps. Schon als sie den Beamten die Tür öffnete, fiel Hackenholt die große optische Ähnlichkeit zu Frau Brunner auf: Beide waren groß, sehr schlank, flachbrüstig, hatten lange, dunkle, glatte Haare und fein gemeißelte Gesichtszügen. Auch Frau Damps Augen waren dunkel und äußerst ausdrucksstark.
»Worum geht es denn? Sie haben sich am Telefon nur sehr vage ausgedrückt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, in welchen Ermittlungen Sie auf meinen Namen gestoßen sind.«
»Es sind wirklich nur ein paar Routinefragen, Frau Damps. Uns wurde gesagt, dass Sie bis vor kurzem die Freundin von Herrn Peter Siebert waren.«
Als die Frau dies nicht bestätigte, sondern ihn nur abwartend ansah, fragte Hackenholt nach: »Das ist doch so richtig, oder?«
»Ja, ich hatte bis vor einem Monat eine Beziehung mit ihm. Aber was hat Peter mit der Polizei zu tun? Ist er in Schwierigkeiten?« Ihre Stimme klang atemlos.
»Frau Damps, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Herr Siebert tot aufgefunden wurde.«
»Tot aufgefunden?«, flüsterte sie kaum hörbar. »Aber, wie? Ich verstehe nicht.«
»Herr Siebert wurde vergangenen Freitag im Treppenhaus vor seiner Wohnung ermordet.«
Mit dem, was nun folgte, hatte
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