Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
fließendem Griechisch für die beiden. Alle am Tisch starren ihn verwundert an, auch Franz. Carlo spricht Griechisch!
»Ich hab mal eine Zeit in Griechenland gelebt«, erklärt er kurz. »Also, worum geht es, Leonard?«
Carlo ist der einzige, der Kimski mit seinem Vornamen anspricht. Dieser hört nur widerwillig darauf, aber was bleibt ihm auch anderes übrig? Ihm etwa eine reinhauen?
Kimski erzählt in knappen Worten von dem Gespräch mit seiner Auftraggeberin, ohne deren Namen zu nennen. So hat er innerhalb von zwei Minuten die wenigen Informationen, die er bekommen hat,
an die beiden weitergegeben.
»Da muss ich passen«, sagt Carlo. »Ich arbeite zwar mit Hochdruck an meiner Kurpfalz-Chronik, aber ich stecke momentan noch voll im 19. Jahrhundert fest. So weit bin ich noch nicht. Was sagst du, Franz?«
» Die Letzten sagten Sie, hieß die Gruppierung?«
»Genau.«
»Von ihnen habe ich noch nie etwas gehört.« Franz blickt in sein Weinglas, so als würde er auf dessen Boden nach einer Erleuchtung suchen. »Auch was Sie über den Angriff auf das Konzentrationslager gesagt haben ...«, fährt er fort, »solche Pläne gab es wohl tatsächlich, aber in Mannheim sind sie niemals in die Tat umgesetzt worden.«
»Soweit ich verstanden habe, wurde die Gruppe auch entdeckt, bevor sie die Aktion durchführen konnte«, sagt Kimski.
»Ja, das mag sein. Trotzdem habe ich keine Idee, welche Gruppe gemeint sein könnte. Am Institut haben wir die Daten aller noch lebenden Widerstandskämpfer – zumindest von denen, die uns bekannt sind. Natürlich versuchen wir, mit diesen Personen in Kontakt zu treten, um weiterführende Informationen zur damaligen Situation und auch zum Umfang der Widerstandstätigkeiten zu erlangen. Es gibt bestimmt auch Widerstandskämpfer, deren Namen heute in Vergessenheit geraten sind. Aber die meisten von ihnen dürften mittlerweile tot sein. Ehrlich gesagt halte ich die Chancen, dass Sie etwas herausfinden, für nicht besonders groß.«
»Und wenn Sie mich Ihrem Professor vorstellen würden?«
»Das könnte ich natürlich. Er freut sich immer, wenn Interesse an seinem Forschungsgebiet gezeigt wird. Aber mehr als ich wird er Ihnen auch nicht erzählen können. Ich bin bestens mit unserer Forschung vertraut. Ich werde trotzdem morgen noch einmal für Sie ins Archiv gehen und nachsehen, ob ich irgendeine Gruppe übersehen habe und Sie anrufen, wenn Sie es wünschen.«
»Gerne.«
Der Kellner kommt und bringt die Getränke für Eva und Kimski.
»Wie gehen Sie denn vor, wenn Sie recherchieren? Gibt es etwas, wozu Sie mir raten können?«
»Nun ja. In Ihrem Fall würden die Gestapoakten sicherlich weiterhelfen. Die kann man im Generallandesarchiv in Karlsruhe einsehen. Was den Raum Mannheim und Heidelberg betrifft, finden Sie dort leider nur die Jahrgänge bis 1938. Die Jahrgänge bis 1942 sind durch einen Bombenangriff auf das Polizeipräsidium in Mannheim verbrannt. Die Jahrgänge bis 1945, die wiederum für Sie von Bedeutung wären, sind nach dem Krieg verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Sollten Sie diese tatsächlich finden, gibt Ihnen mein Chef sicherlich einen aus. Denn die hätten wir nämlich selber gern. Sie könnten es auch mal im Stadtarchiv in Mannheim versuchen. Dort sind alle Zeitungen aus dieser Zeit eingelagert. Und vielleicht finden Sie Berichte über zerschlagene Widerstandsgruppen, über die aus Gründen der Abschreckung vor allem in den letzten Kriegsmonaten häufig berichtet wurde. Eigentlich haben wir bereits das gesamte Material durchgearbeitet, aber angesichts der Vielzahl von Artikeln und Berichten in der Zeit von 1933 bis 1945 kann es natürlich sein, dass wir etwas übersehen haben. Und wenn Sie sich an das Jahr 1945 halten, sollten Sie es nicht schwer haben. Damals erschien in Mannheim als letzte und einzige Zeitung das Hakenkreuzbanner . Und das in einer abgespeckten Version.«
»Na gut.«
Es ist nicht viel. Aber es wird reichen, um ihn für den morgigen Vormittag zu beschäftigen. Sie tauschen ihre Kontaktdaten aus und vereinbaren ein Telefongespräch für den morgigen Nachmittag. Danach wechseln sie das Thema und tauschen Belanglosigkeiten aus. In der Zeit, in der Eva und Kimski ihr erstes Glas geleert haben, sind Carlo und Franz schon bei ihrem dritten angelangt. Doch Carlo sieht man das Pensum nicht an.
»Doch, ja«, denkt Kimski, »der Kerl hat ein ernsthaftes Alkoholproblem.«
Kimski zahlt für die gesamte Gesellschaft, dann verabschieden er und Eva
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