Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
sich. Auf dem Weg zu ihrer Wohnung sprechen sie deutlich mehr, als auf dem Hinweg. Kimski begleitet sie bis zu ihrer Haustür.
»War doch ein schöner Nachmittag«, sagt Eva.
»Klar.«
»War auch gut, sich mal wieder mit dir unterhalten zu können.«
Sie gibt Kimski einen Kuss auf die Wange, dann dreht sie sich um und schließt die Haustür auf. Gerade als sie diese aufdrücken will, hält sie inne und dreht sich noch einmal zu ihm um.
»Ach, sag mal. Mir fällt da gerade noch was ein. Was machst du am Mittwoch?«
Kimski zuckt mit den Schultern.
»Du könntest mich doch zum Flughafen fahren. Dann können wir unser Gespräch fortsetzen.«
»Gerne.«
»Gut. Holst du mich um acht Uhr am Abend ab?«
Sie verabschieden sich und Eva verschwindet im Haus. Ihr hat der Tag mit ihm also gefallen oder wie ist das zu verstehen? So sehr, dass sie sich wünscht, dass er sie zum Flughafen fährt. Ob er sich Sorgen machen sollte, dass sie versuchen könnte ihn zurückzuerobern?
Kimski wendet sich um und geht auf sein Auto zu. Schon aus der Entfernung kann er den Zettel sehen, der unter das rechte Scheibenwischerblatt seines Wagens geklemmt ist.
»Scheiß Politessen«, denkt er, doch als er das Papierstück näher betrachtet, erkennt er, dass er sich getäuscht hat. Es ist kein Strafzettel, irgendein Scherzbold hat einen Schmierzettel hinterlassen, auf dem in krakeligen Buchstaben Ich beobachte dich! steht. Und auf die Kühlerhaube hat jemand mit dem Finger das Wort Drecksau in den Staub geschrieben. Er sollte bald mal wieder in die Waschanlage fahren, denkt sich Kimski und steigt in sein Auto.
7.
Montag, 21. April
Mannheim
Der Gang ins Stadtarchiv bringt keine neuen Erkenntnisse. Als er das Archiv verlassen will, fällt Kimskis Blick auf einen Aushang: Auskünfte aus der Meldedatei
Das Stadtarchiv erteilt aus der Meldedatei Auskünfte gemäß Meldegesetz. Weiterhin beantworten wir Fragen zu Renten- und Erbschaftsangelegenheiten sowie zur Familienforschung.
Kimski bleibt stehen und liest sich den Text zweimal durch, wobei ihm das Wort Familienforschung besonders ins Auge fällt. Warum eigentlich nicht?
Kimski macht er sich zu Fuß auf den Weg nach Hause. In den H-Quadraten kauft er sich einen Döner. In seiner Wohnung angekommen legt er ein Album von Maximo Park in den CD-Spieler und dreht die Anlage auf. Er schmeißt sich auf die Couch und lässt sich von der Musik berieseln. Es dauert nicht lange, bis er einschläft. Schon nach einer Viertelstunde setzt er sich mit neuer Kraft an seinen Laptop und beginnt mit einer Onlinerecherche.
Wie hieß doch gleich der Unternehmer, von dem sein Onkel sagt, seine Urgroßmutter habe bei ihm als Dienstmädchen gearbeitet? Dreyfuß?
Kimski gibt die Wörter Dreyfuß Mannheim Unternehmer bei Google ein und erhält hundertundvier Treffer. Nachdem er zwei Artikel gelesen hat, weiß er, dass er den richtigen Namen eingegeben hat. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Unternehmerfamilie, deren Oberhaupt Wilhelm Dreyfuß hieß, womit aber weder bewiesen ist, dass Kimskis Urgroßmutter wirklich dort tätig war, geschweige denn dass sie mit einem Mitglied der Familie ein Kind gezeugt hat.
Kimski öffnet sein E-Mail-Programm und überlegt. In der Broschüre, die er im Stadtarchiv mitgenommen hat, steht, man bräuchte möglichst viele Informationen, um eine Person eindeutig zu identifizieren. Kimski beginnt mit dem Namen seines Großvaters, Heinrich Kimski. Wann hatte er bloß Geburtstag? Irgendwann im Mai. Und das Geburtsjahr? Kimski erinnert sich, dass die Beerdigung in den Neunzigern war, genauer gesagt 1995. Es hatte geregnet und Kimski tippt darauf, dass es Herbst gewesen sein muss. Bei seinem Tod war sein Großvater fünfundsiebzig Jahre alt. Also muss er etwa 1920 geboren worden sein.
Kimski schreibt: Geboren vermutlich 1920, Geburtsort: Mannheim .
Dann setzt er einen kurzen formellen Text auf und fügt ihn vor den bereits geschriebenen Zeilen ein. Bevor er auf Senden drückt, geht er zum Kühlschrank und holt sich eine Flasche Export. Er setzt sich wieder an seinen Schreibtisch, trinkt das Bier und starrt den Bildschirm an. Er zögert, denn er redet sich ein, dass wahrscheinlich sowieso keine neuen Erkenntnisse über seinen Großvater herausgefunden werden. Schließlich nimmt er doch noch die Maus in die Hand und versendet die E-Mail. Als Nächstes greift er zum Mobilteil seines Festnetztelefons und ruft Franz an.
»Haben Sie in Ihrem Archiv etwas finden
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