Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vergessenen. Thriller (German Edition)

Die Vergessenen. Thriller (German Edition)

Titel: Die Vergessenen. Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Wächter
Vom Netzwerk:
ausführen, was man von ihm erwartete?
    Hastig griff er in seinen Tornister und zog die braune Fechtmaske hervor. Er atmete laut schnaufend, als er das raue Leder über seinen Kopf zog, und sah wieder in den Spiegel. So konnte er sein Antlitz nicht mehr erkennen und wurde schließlich ganz ruhig.
    Zwei Minuten später trat Friedrich vor das Gebäude. Er sah zwei seiner Männer, die wild umherliefen und nach ihm Ausschau hielten.
    »Es geht los«, sagte er.
    Die beiden drehten sich zu ihm um. Als sie ihn sahen, fuhren sie zusammen: »Sind Sie das, Unterscharführer?«
    »Kommen Sie«, sagte Friedrich, ohne auf ihre Frage einzugehen, und lief in Richtung Grube.
    Man trieb die Juden durch abgezäunte Korridore in den Bereich um die Grube. Über Leitern mussten sie hinabsteigen und sich mit dem Gesicht nach unten auf die Leichen der letzten Tage legen. Am Rand angekommen zog Friedrich seine Pistole und zielte willkürlich in das Gewirr weißer Leiber. Seine Hand zitterte, er drückte trotzdem ab, immer wieder. Er hatte es sich schwerer vorgestellt. Er hatte gedacht, er würde dabei etwas empfinden, dass er sich schlecht
    fühlen würde, aber er spürte gar nichts.
    Durch das beständige Nachladen und das erneute Leerfeuern eines Magazins verlor er bald das Gefühl für Raum und Zeit. Er hätte nicht sagen können, wie lang es gedauert hatte, bis in der Grube nichts mehr zappelte und man die nächste Gruppe hinabtrieb, die sich nun ebenfalls auf die frisch Getöteten zu legen hatte. Seine Hände zitterten immer weniger, und nachdem zum dritten Mal Menschen hinabgestiegen waren, konnte Friedrich ganz ruhig auf Frauen, Kinder und Säuglinge zielen.

22.
    Dienstag, 29. April
    Mannheim
     
    Obwohl der Alte es nicht will und er nicht verletzt zu sein scheint, bringen Eva und Kimski ihn ins Klinikum, das sich vis-à-vis des alten Tors vom Hauptfriedhof befindet. Während er untersucht wird, warten sie in der großen Empfangshalle auf ihn und schweigen sich gegenseitig an. Schließlich taucht der Alte am Ende eines der Gänge auf und wird von einer Krankenschwester zu ihnen geführt.
    »Ihrem Vater ist nichts passiert, aber passen Sie auf, dass er es in Zukunft etwas ruhiger angehen lässt.«
    Kimski nickt und die Schwester geht.
    »Was haben Sie ihr denn erzählt, was Sie gemacht haben?«
    »Ich habe gesagt, ich sei Tanzen gewesen und wäre hingefallen.«
    »Mittags um zwei?«
    »Na ja, ich wollte nicht, dass auch noch die Polizei in diese Angelegenheit mit hineingezogen wird.«
    »Ja«, entgegnet Kimski und erhebt sich. »Das will ich auch nicht. Kommen Sie, vielleicht können wir uns ein bisschen unterhalten.«
    Sie gehen in die Kantine und Eva und der Alte setzen sich. Kimski holt eine Runde Kaffee.
    »Wie heißen Sie?«, fragt Eva den Alten.
    »Walter.«
    »Was haben Sie bei der Beerdigung gemacht?«
    Kimski kehrt mit einem Tablett zurück und lässt sich neben Eva nieder.
    »Sie standen die ganze Zeit über abseits.«
    Kimski fragt sich außerdem, warum der Maskenmann ausgerechnet den Alten angegriffen hat. Walter schluckt und schweigt.
    »Muss ich wirklich darüber sprechen?«, fragt er schließlich und sieht zu Boden. »Wer sind Sie überhaupt?«
    Kimski beschließt, mit offenen Karten zu spielen, und erzählt Walter alles über seinen Auftrag ebenso wie das Wenige, was er bis jetzt herausgefunden hat.
    Der Alte holt tief Luft. »Wissen Sie, ich bin jetzt zweiundachtzig Jahre alt. Als ich noch jünger war, haben mir die Abwehrmechanismen geholfen, die ich wie jeder andere Mensch auch für mich entwickelt habe. Doch die reichen jetzt nicht mehr aus. Und das, was einmal war, Dinge, die einmal passiert sind, kommen zu mir zurück. Jede Nacht träume ich davon, was früher war, schlimmer noch: Ich träume davon, wie ich selbst all diese schrecklichen Dinge tue.«
    Walters Stimme wird brüchig.
    »Vor ein paar Tagen träumte ich, ich müsste meine eigenen Kinder in einen Wald führen, man gibt mir ein Gewehr in die Hand und drängt mich dazu, sie zu erschießen. Mein Kopf dreht sich und ich weiß nicht, was ich tun soll. Dann wache ich auf und weiß immer noch nicht, was ich machen soll. Ich habe inzwischen Angst vor dem Schlafen, denn wenn es finster wird, kommen diese Gedanken. Ich kann nichts dagegen machen. Früher hatte ich so etwas nicht, es begann erst vor zehn Jahren – Spätschäden. Ich habe bereits eine Therapie gemacht, aber geholfen hat sie nicht. Ich nahm Medikamente, Schlafmittel, ohne Erfolg. Und dabei ist

Weitere Kostenlose Bücher