Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
Umhängetasche und machte sich wieder zu der Adresse in der Altstadt auf. Sie wusste jetzt, wie Friedrich Schulze aussah, wusste, dass er sich tatsächlich in der Gegend aufhielt, und sie hatte noch eine Woche Zeit, bis sie zurückreisen würde.
33.
Donnerstag, 1. Mai
Mannheim
Das Vernehmungszimmer ist kahl und grau; kein besonders einladender Ort. Aber er kennt ihn ja schon von früher. Jetzt sitzt er allerdings auf der anderen Seite des Verhörtischs, ihm gegenüber Vollmer und dieser neue, dessen Namen Kimski schon wieder vergessen hat.
»Siehst müde aus«, murmelt Kimski.
»Tja, das liegt auch ein bisschen an dir.«
Vollmer starrt ihn mit stechendem Blick an. Dann erhellt sich seine Miene plötzlich und er fängt an zu lachen.
»Du hast das MEK ganz schön aufgemischt, als die dich verhaften wollten.«
»Warum hast du nicht gleich das SEK geschickt?«
»Das Mobile Einsatzkommando stand schneller zur Verfügung. Und es musste ja schnell gehen.«
Vollmer macht eine wegwerfende Bewegung.
»Schwamm drüber.«
»Was wirft man mir vor?«
»Weißt du das nicht?«
Kimski schweigt. Vollmer starrt ihn lange an, so als wolle er ergründen, ob Kimski ein Spielchen mit ihm spielt oder ob er es wirklich nicht weiß.
»Zuerst ist dein Name im Zusammenhang mit dem Mord an Eugen Kämper aufgetaucht, den wir hier in Mannheim mit einer zehnköpfigen Sonderkommission bearbeiten. Wir alle machen deshalb seit einer Woche jede Menge Überstunden und kriegen kaum noch Schlaf. Und diese Nacht bist du es, der uns an unserer eigentlich so wohlverdienten Nachtruhe hindert.«
Er grinst und macht eine Kunstpause.
»Du kennst das, warst ja auch mal Mitglied unseres Klubs.«
»Wegen der Kämper-Geschichte haben wir doch bereits gesprochen. Ihr habt überhaupt nichts gegen mich in der Hand.«
»Stimmt.«
Vollmer schließt die Augen und legt eine weitere Kunstpause ein.
»Dann aber passiert Folgendes.«
Vollmers Stimme wird lauter. »Ein weiterer Mord passiert, diesmal in Heidelberg. Wieder ist das Opfer ein alter Mann, ein Rollstuhlfahrer.«
Was redet Vollmer da?
»Adelbert Kampowski. Und du bist der letzte Zeuge, der ihn lebend gesehen hat. Sonderbar, nicht wahr?«
»Sonderbar. Hast recht.«
»Der Staatsanwalt fand es sonderbar genug, dass er mir sofort einen Haftbefehl ausgestellt hat.«
»Eifrig, der Herr Staatsanwalt. Hält sich nicht lange mit Vorladungen auf.«
»Ich hab ihm natürlich erklärt, du seist unberechenbar. Du hast immerhin eine Kampfausbildung beim SEK genossen, da kann ich doch nicht einfach zwei Streifenpolizisten vorbeischicken.«
»Gut mitgedacht, Sherlock. Hast du auch schon einen Verdacht, warum ich zwei Rentner umgebracht haben soll? Denn dass du mich für schuldig hältst, daran gibt es wohl keinen Zweifel.«
Vollmer beugt sich vor und legt die Arme auf den Tisch. Er grinst bis über beide Ohren.
»Nein also, die Entscheidung, ob du schuldig bist oder nicht, müssen wir natürlich dem Richter überlassen. Aber du hast recht, ich hab mir schon so meine Gedanken gemacht.«
»Schieß los.«
»Das ist mir noch zu früh.«
»Ach bitte, erzähl schon.«
»Mach dich nicht lustig über mich. Du vergisst, dass das jetzt mein Verhörzimmer ist.«
Vollmer starrt ihm einen Moment lang stumm in die Augen. Kimski starrt zurück. Dann macht Vollmer den Mund auf und presst einen kurzen Satz über die Lippen.
»Du bist jetzt Auftragskiller.«
Vollmer sieht ihn durchdringend an, so als erwarte er eine Reaktion von Kimski, die ihm seine Theorie bestätigen könnte. Wie soll man aber auf so etwas schon ernsthaft reagieren?
»Du siehst zu viel fern«, entgegnet Kimski.
»Meinst du?«
»Ja.«
»Ich hab dein Konto überprüfen lassen. Wie viel verdienst du eigentlich so als Privatdetektiv? Kann man davon leben?«
Kimski antwortet nicht.
»Deine Zeit beim SEK – da hast du doch eine Menge gelernt. Nahkampf, Waffenkunde, Präzisionsschießen.«
»Jetzt hör aber mal auf! Meinst du wirklich, ich ziehe als Racheengel durch die Altersheime und bringe bettlägerige Rentner um? Wer beauftragt denn dafür einen Auftragskiller? Hast du den alten Kampowski mal gesehen, als er noch lebte? Ein Häufchen Elend, den hätte jeder umbringen können.«
Vollmer verzieht seinen schmalen Mund zu einem Grinsen. »Witzig. Aber du hast da gerade ein schönes Wort gesagt: Racheengel. Da hätten wir doch schon mal ein Motiv. Du kanntest die beiden ja anscheinend. Wer könnte sich an den beiden alten Männern
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