Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
Weile, bis sie in den schmalen verwinkelten Gassen des alten Stadtkerns die richtige Straße entdeckt hatte. Nachdem sie das Haus ausfindig gemacht hatte, setzte sie sich einige Meter entfernt auf eine Bank. Sie war nah genug, um den Hauseingang zu beobachten. Sie trug einen Sonnenhut mit breiter Krempe und eine große Sonnenbrille. Aus ihrer Umhängetasche zog sie ein Buch hervor und las darin, während sie wartete. Am ersten Tag passierte gar nichts, niemand näherte sich dem Haus. Tags darauf ging sie wieder dort hin und diesmal hatte sie mehr Glück. Gegen 12 Uhr mittags liefen zwei Männer in kurzer Hose und Polohemd die Straße entlang, die Hände in den Taschen vergraben. Beide waren braun gebrannt und Klara hätte nicht mit Sicherheit sagen können, ob es sich um Spanier oder Deutsche, die sich bereits seit einer Weile an der Küste aufgehalten hatten, handelte. Vor dem Hauseingang blieben sie stehen und klopften. Klara wühlte in ihrer Tasche, um ihren Fotoapparat hervorzuholen, war aber zu langsam, sodass die beiden Männer bereits hinter der Tür verschwunden waren, als sie so weit war.
Sie wartete weitere sechs Stunden, ohne dass sich etwas tat. Die Kamera lag die ganze Zeit über griffbereit neben ihr auf der Bank. In ein paar Minuten war sie mit Eugen im Hotel verabredet. Sie wollte gerade aufstehen, als sich die Haustür öffnete und die beiden Männer auf die Straße traten, gefolgt von einem dritten älteren Herrn, der ihnen die Hand zum Abschied schüttelte. Diesmal war Klara schnell genug und schoss eine ganze Reihe von Bildern, auf denen alle drei zu sehen waren. Dann steckte sie die Kamera hastig ein, weil die zwei Männer direkt auf sie zuliefen, während der Dritte ihnen hinterherwinkte. Sie musste sich aber keine Sorgen machen, da sie sie überhaupt nicht wahrnahmen, weil sie sie wohl für eine harmlose Touristin hielten.
Klara stand auf. Auf dem Rückweg belichtete sie wahllos einige Bilder, um den Film vollzubekommen. In einem kleinen Fotoladen gab sie die Rolle ab, um ihn entwickeln zu lassen. An den folgenden drei Tagen begleitete sie Eugen wieder an den Strand. Die Sonne strahlte vom Himmel und alles schien wunderbar zu sein – zumindest für Eugen. Am vierten Tag konnte Klara die Abzüge abholen.
»Und jetzt?«, fragte sie sich, denn sie selbst konnte die Männer auf den Fotos nicht identifizieren. Eigentlich müsste sie die Bilder Eugen zeigen, der wissen würde, ob sein Peiniger darauf zu sehen war. Doch das würde wieder Streit bedeuten. Das Problem erübrigte sich jedoch, als Eugen den Stapel mit den Fotos im Hotelzimmer entdeckte und diesen ohne böse Vorahnung durchsah. Klara kam gerade aus dem Badezimmer zurück, als er sie irritiert anschaute.
»Warum fotografierst du fremde Männer?«, fragte er eher verwundert als aufgebracht. Doch als er weiterblätterte, gefror sein Blick mit einem Mal.
»Was soll das?«
Er warf die Fotos auf den Tisch.
»Was ist denn?«
Hatte er Schulze tatsächlich entdeckt? Warum regte er sich plötzlich so auf. Offensichtlich musste ihm eines der Gesichter bekannt vorkommen.
»Das weißt du ganz genau!«
»Nein. Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, schwindelte sie.
Eugen rannte aus dem Zimmer und Klara trat an den Tisch und sortierte die Bilder, um nachzusehen, bei welchem der Fotos er die Fassung verloren hatte.
An diesem Tag sprachen sie kein Wort mehr miteinander, bis Eugen ihr am Abend verkündete, dass er von ihren Schnüffeleien die Schnauze voll hätte.
»Ich reise allein ab, ich halte das einfach nicht mehr aus. Verstehst du das denn nicht?«
Sie verstand es nicht. Sie wollte doch nur der Wahrheit auf die Spur kommen. Eugen nahm sich am nächsten Morgen ein Taxi und verschwand mit seinem Reisekoffer, wohin wollte er ihr nicht sagen.
»Wir sehen uns in Deutschland?«
»Ja, ja.« murmelte er nur. Dann stieg er ein.
Nachdem er verschwunden war, weinte Klara den halben Vormittag auf ihrem Hotelzimmer. Die Beziehung war schon lange nicht mehr glücklich gewesen, denn Eugen weigerte sich standhaft, sie zu heiraten, weil er den Zorn seiner Familie fürchtete, wenn er als Katholik eine Protestantin ehelichen sollte, zudem der Kinderwunsch unerfüllt bleiben würde. Aber dass es sich so zwischen ihnen entwickeln sollte, hatte Klara auch nicht gewollt.
Sie trocknete ihre Tränen und erhob sich. In der Hotelbar trank sie einen Schnaps, obwohl es noch nicht mal Mittag war und sie fast nie Alkohol zu sich nahm. Dann packte sie ihre
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