Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
geführt.
Kimski steht auf. Er braucht Gewissheit.
»Entschuldige«, sagt er noch einmal, als er auf den jungen Kommissar zuläuft.
»Wofür denn?«, stottert Timmermann.
Langsam wird er unsicher. Er zieht seine Waffe aus dem Schulterhalfter, aber da ist Kimski schon bei ihm. Der packt mit seiner Rechten den Arm, mit dem Timmermann die Waffe hält, und verdreht ihn. Timmermann geht in die Knie. Kimski greift sich die Pistole und lässt das Magazin herausplumpsen. Dann wirft er sie in den nächsten Mülleimer.
»Dafür.«
Wenige Sekunden später steht Kimski im Flur und verschließt die Tür mit dem Schlüssel, den er zuvor von innen abgezogen hat. Er steckt ihn in seine Hosentasche und läuft den Flur entlang Richtung Treppenhaus. Hinter sich hört er bereits, wie Timmermann an die Tür hämmert.
Wo sich Vollmer wohl gerade befindet? Zum Glück gibt es zwei Treppenhäuser, was die Wahrscheinlichkeit, dass er ihm auf dem Weg zum Ausgang nicht vor die Füße läuft, erhöht. Kimski steigt die Treppe hinab ins Erdgeschoss. Der Flur liegt einsam und verlassen vor ihm. Er läuft Richtung Haupteingang, öffnet die Tür, die zur Aufnahmestelle führt, und grüßt im Vorbeigehen den uniformierten Polizisten, der hinter dem Tresen steht. Der Polizist erwidert den Gruß und beachtet ihn nicht weiter.
»Glück gehabt!«, denkt Kimski, als er auf die Straße tritt. Nur wie soll er jetzt nach Heidelberg kommen? Er rennt los. Die öffentlichen Verkehrsmittel sollte er meiden, solange er flüchtig ist. Sein Auto kann er auch nicht nehmen, das Nummernschild wird in Kürze zur Fahndung ausgeschrieben werden. Und ein Auto zu klauen kommt eigentlich nicht infrage.
Auf dem Ring sieht er ein unbesetztes Taxi. Kimski läuft auf die Straße und wedelt mit den Armen. Mit quietschenden Reifen kommt der Wagen einige Zentimeter vor ihm zum Stehen.
»Hea, Longaa! Hawwe se dir ins Hirn geschisse!« Der Taxifahrer hat das Fenster heruntergekurbelt und streckt seinen Kopf aus dem Auto. »Du gehörscht doch hinter Schloss un Riegel!«
»Da sind Sie nicht der Einzige, der so denkt«, murmelt Kimski, während er die Wagentür öffnet und auf der Rückbank Platz nimmt. Er wartet einen Moment, bis der Fahrer sich beruhigt hat, dann sagt er: »Nach Heidelberg, bitte.«
35.
Donnerstag, 1. Mai
Heidelberg
Kimski bittet den Taxifahrer, zwei Straßen von Evas Wohnung entfernt zu halten. Seinen Geldbeutel hat man ihm bei der Verhaftung nicht abgenommen. Er zahlt den Betrag von 36 Euro und 40 Cent mit den letzten beiden 20-Euro-Scheinen, die er bei sich hat. Dann steigt er aus und läuft los.
Vor dem Hauseingang bleibt er stehen und klingelt mehrmals. Er wartet zwei Minuten, doch nichts rührt sich. Kimski macht einen Schritt zurück und betrachtet die Haustür aus Holz. Die dunkelgrüne Farbe scheint erst unlängst erneuert worden zu sein. Dennoch täuscht der frische Anstrich nicht darüber hinweg, dass es sich um ein sehr altes Modell handelt, wahrscheinlich ist es so alt wie das Jugendstilgebäude selbst.
»Eigentlich schade um das gute Stück«, denkt Kimski. Er sieht noch nach links und nach rechts, um sicherzugehen, dass sich niemand auf der Straße befindet. Dann holt er aus.
Im Treppenhaus betätigt Kimski nicht den Lichtschalter. Denn sollte jemand im Haus durch den Krach wach geworden sein, will Kimski ihn lieber in dem Glauben lassen, dass es sich um Lärm von der Straße gehandelt hat. Und bis zu Evas Wohnungstür im ersten Stock schafft er es auch ohne Weiteres ohne Licht. Er will gerade nach dem Türgriff tasten, um nach Spuren eines möglichen Einbruchs zu suchen, als er bemerkt, dass die Tür nachgibt.
Kimski drückt sie auf und betritt Evas Flur. Hier endlich schaltet er das Licht an und sieht sich um. Das Türschloss scheint auf den ersten Blick nicht beschädigt worden zu sein. Vorsichtig schließt Kimski die Tür, immer noch darauf bedacht, im Treppenhaus keinen unnötigen Lärm zu erzeugen.
»Eva?«
Keine Antwort. Er geht weiter, öffnet die Tür zum Schlafzimmer. Der Raum ist leer. Die Bettwäsche liegt unordentlich auf dem Boden, was für Eva ungewöhnlich ist. Kimski sieht sich auch die anderen Räume der Wohnung an, ohne etwas zu finden, was ihm Aufschluss darüber geben könnte, wohin Eva verschwunden ist.
Dann fällt sein Blick auf einen Notizblock, der in der Küche neben dem Mobilteil des Telefons liegt. Er liest das, was Eva auf das oberste Blatt gekritzelt hat:
Franz wusste von L.s
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