Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
zusammengehörten. Aber die Katze hatte keine Möglichkeit, sich der Befehlsgewalt ihres Herrn zu widersetzen, und Drizzt hatte nicht das Recht, die Statuette von Masoj zu verlangen, schon gar nicht, weil die Familie Hun'ett in der streng gegliederten Hierarchie der Unterwelt einen bedeutenderen Platz einnahm als seine eigene.
Folglich setzten der Dunkelelf und die Katze ihre Beziehung so fort, wie sie bisher gewesen war.
Doch bald darauf ereignete sich ein Vorfall, über den Drizzt nicht hinweggehen konnte. Guenhwyvar wurde von Masoj häufig zu Überfällen auf feindliche Elfenhäuser und andere Bewohner der Unterwelt mitgenommen. Normalerweise führte die Katze die Befehle ihres Herrn gründlich aus und war begeistert, ihn im Kampf unterstützen zu können. Aber bei einem Überfall auf eine Sippe von Tiefengnomen, in den Tiefen erzschürfenden, bescheidenen Gnomen, die in ihrer gemeinsamen Heimat unseligerweise häufig gegen die Dunkelelfen vorgingen, übertrieb Masoj es mit seiner Bösartigkeit maßlos.
Nach dem Angriff auf ihre Sippe verstreuten sich die wenigen überlebenden Gnome in den vielen Korridoren ihrer labyrinthisch angelegten Minen. Der Überfall war erfolgreich gewesen: Die Schätze, die Masoj gesucht hatte, hatte er gefunden, und die Sippe war so gut wie ausgelöscht und würde die Dunkelelfen nie wieder belästigen können. Aber Masoj wollte noch mehr Blut sehen.
Er benutzte Guenhwyvar, den stolzen, majestätischen Jäger, als Mordinstrument. Er schickte die Katze den fliehenden Gnomen hinterher, damit er sie allesamt vernichtete.
Drizzt und einige andere Dunkelelfen erlebten dieses Gemetzel mit. Während es den anderen in ihrer Gemeinheit ungeheures Vergnügen bereitete, war Drizzt nur noch angewidert. Darüber hinaus sah er, daß sich die schmerzliche Demütigung auf den Zügen der stolzen Katze deutlich zeigte. Guenhwyvar war ein Jäger und kein Mörder, und ihn für diese Rolle zu benutzen, war in hohem Maße entwürdigend, ganz zu schweigen von Masojs Greueltat gegen die unschuldigen Gnome.
Diese Ausschreitung war die letzte in einer langen Reihe von ähnlichen Vorkommnissen, die Drizzt nicht mehr ertragen konnte. Er hatte immer gewußt, daß er sich in vielerlei Hinsicht von den Angehörigen seiner Rasse unterschied, auch wenn er gleichzeitig oft befürchtet hatte, ihnen ähnlicher zu sein, als ihm lieb war. Dennoch war er oft voller Anteilnahme mit anderen Wesen, und für ihn war der Tod mehr als ein bloßes Vergnügen wie für die große Mehrheit der Dunkelelfen. Er wußte nicht, wie er es bezeichnen sollte, denn es gab in der Sprache der Dunkelelfen kein Wort, das einen solchen Charakterzug beschrieb. Bei den Bewohnern der Erdoberfläche, die Drizzt später kennenlernen sollte, nannte man es Gewissen. Noch in der gleichen Woche, in der dieser Überfall stattgefunden hatte, gelang es Drizzt, auf Masoj alleine außerhalb der belebten Stadt Menzoberranzan zu treffen. Er wußte, dass es nach einem tödlichen Schlag kein Zurück mehr gab, aber er zögerte nicht und stieß seinen Krummsäbel in die Rippen seines arglosen Opfers. Es war das einzige Mal in seinem Leben, daß er einen Angehörigen seiner Rasse getötet hatte, eine Tat, die ihm trotz seiner ablehnenden Gefühle gegenüber seinem Volk ganz und gar zuwider war.
Drizzt nahm die Statuette an sich und ergriff die Flucht. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich in der Unendlichkeit der Unterwelt in einer der zahlreichen dunklen Höhlen niederzulassen, doch irgendwann war er an die Oberfläche gelangt. Nachdem er sich zuerst in dem bevölkerungsreichen Süden aufgehalten hatte und von Stadt zu Stadt gezogen war, da er überall unerwünscht war und wegen seiner Herkunft verfolgt wurde, hatte er sich schließlich in die tiefste Wildnis nach Zehn-Städte begeben, dem Schmelztiegel der Ausgestoßenen, dem letzten Außenposten der Zivilisation, wo er zumindest geduldet wurde.
Es bekümmerte ihn nicht besonders, daß man ihm sogar hier auswich. Er hatte Freunde gefunden, den Halbling, den Zwerg und dessen Pflegetochter Catti-brie.
Und Guenhwyvar war bei ihm.
Wieder klopfte er der großen Katze an den muskulösen Hals und verließ Bremens Paß, um eine Höhle zu suchen, in der er sich bis zur Schlacht ausruhen konnte.
Ein Schlachtfeld voller Blut
Die Barbaren erreichten Bremens Paß kurz vor Mittag. Zwar hätten sie am liebsten ihren glorreichen Angriff mit einem Kriegslied begleitet, sie waren aber einsichtig genug, zu erkennen, daß ein
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