Die vergessenen Welten 02 - Die verschlungenen Pfade
»Ich hatte von den robusten Männern von Zehn-Städte nicht erwartet, daß sie einen Halbling schicken, ihre Arbeit zu verrichten!« Wieder lachte er, und Regis erkannte, daß der Zauber, den er vor dem Turm auf den Zauberer geworfen hatte, an Kraft verloren hatte.
Der Halbling konnte sich denken, was geschehen war. Er spürte die pulsierende Kraft des Raumes; offensichtlich stärkte sich Kessell durch sie. Als sich seine Seele außerhalb befunden hatte, war der Zauberer für die Magie des Edelsteins empfänglich gewesen, aber hier im Innern widerstand diese Kraft dem Einfluß des Rubins.
»Du hast gesagt, du hättest Informationen für mich«, erinnerte ihn Kessell plötzlich.« Sprich, und laß nichts aus! Sonst wirst du einen unangenehmen Tod erleiden!«
Regis stotterte und versuchte, eine neue Lüge zu erfinden. Die hinterhältigen Geschichten, die er eigentlich hatte anbringen wollen, würden ohne Einfluß des Rubins bei dem Zauberer wenig ausrichten. Ganz im Gegenteil würden sie mit ihren offenkundigen Schwachstellen möglicherweise sogar viel über Cassius' eigentliche Strategien enthüllen.
Kessell richtete sich auf seinem Thron auf, beugte sich zu dem Halbling vor und durchbohrte ihn mit seinem Blick. »Sprich!« befahl er mit ruhiger Stimme.
Regis spürte, daß sein ganzes Denken von einem eisernen Willen durchdrungen wurde, der ihn zwang, jedem Befehl von Kessell zu gehorchen. Doch er merkte auch, daß diese Kraft nicht von dem Zauberer selber ausging, sondern eher von einer äußeren Quelle. Vielleicht war es der Gegenstand, den der Zauberer gelegentlich in einer Tasche seiner Roben umklammerte.
Doch Halblinge verfügen über einen starken natürlichen Widerstand gegen Magie, und eine Gegenkraft – der Edelstein – half Regis, den fremden Willen, der sich ihm aufdrängte, zu bekämpfen und ihn allmählich von sich zu weisen. Plötzlich hatte er eine Idee. Er hatte genügend Leute gesehen, die seinem Zauber zum Opfer gefallen waren, um einen Trancezustand nachahmen zu können. Er stellte sich hin, als wäre er plötzlich völlig locker und entspannt, und richtete seinen leeren Blick auf ein Bild hinter Kessells Schulter. Er spürte, daß seine Augen trocken wurden, widerstand aber der Versuchung zu blinzeln.
»Welche Information möchtest du haben?« fragte er in mechanischem Tonfall.
Kessell sank voll Zuversicht auf seinen Thron zurück. »Nenn mich Meister Kessell«, befahl er.
»Welche Information möchtest du haben, Meister Kessell?«
»So ist es gut.« Der Zauberer grinste. »Gestehe die Wahrheit, Halbling, du solltest mich doch mit dieser Geschichte, mit der man dich zu mir geschickt hat, in die Irre führen.«
Warum nicht? dachte Regis. Eine Lüge, wenn sie mit einigen Körnchen Wahrheit garniert war. »Ja«, antwortete er. »Um dir einzureden, daß deine treuesten Verbündeten gegen dich ein Komplott schmieden.«
»Und wozu?« drang Kessell auf ihn ein, der mit sich jetzt sehr zufrieden war. »Die Bewohner von Bryn Shander wissen doch bestimmt, daß ich sie auch ohne Verbündete mit Leichtigkeit vernichten kann. Der Plan hat doch offensichtlich viele Schwächen.«
»Cassius denkt nicht daran, dich zu besiegen, Meister Kessell«, antwortete Regis.
»Warum bist du dann hier? Und warum hat Cassius die Stadt nicht einfach übergeben, wie ich es gefordert habe?«
»Man hat mich geschickt, um bei dir Zweifel zu säen«, erwiderte Regis, der blind improvisierte, um Kessell interessiert und beschäftigt zu halten. Während er sprach, versuchte er, sich einen neuen Plan auszudenken. »Damit Cassius Zeit gewinnt, seinen wahren Plan zu verwirklichen.«
Kessell beugte sich vor. »Und was soll das für ein Plan sein?«
Regis hielt inne und suchte nach einer Antwort.
»Du kannst mir nicht widerstehen!« brüllte Kessell. »Mein Wille ist zu stark! Antworte mir, oder ich werde dir die Wahrheit aus deinem Gehirn reißen!«
»Um zu fliehen«, plärrte Regis, und mit dieser Antwort eröffneten sich ihm gleich mehrere Möglichkeiten.
Kessell entspannte sich wieder. »Unmöglich«, urteilte er lässig. »Meine Armee ist viel zu stark, als daß Menschen sie an irgendeiner Stelle durchbrechen könnten.«
»Vielleicht nicht so stark, wie du glaubst, Meister Kessell«, log Regis. Er hatte jetzt einen roten Faden gefunden. Eine Lüge in einer weiteren Lüge. Der Ausdruck gefiel ihm.
»Erkläre mir das näher!« befahl Kessell, und ein Schatten von Sorge bewölkte seine Miene.
»Cassius hat
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