Die vergessenen Welten 02 - Die verschlungenen Pfade
Schaden angerichtet zu haben. Aber diese Vorsichtsmaßnahme war nicht nötig. Viele Minuten verstrichen, ohne daß sie auf Gegenwehr stießen.
Als einer der Wachtposten schließlich bemerkte, was vor sich ging, und Alarm gab, war der Boden von dem Blut von mehr als tausend Soldaten von Kessell aufgeweicht.
Überall um sie herum ertönten Schreie, aber Bruenor rief nicht zum Rückzug. »Antreten!« befahl er. »Dicht bei den Tunneln!« Er wußte, daß der erste Ansturm des Gegenangriffs ungeordnet und unvorbereitet verlaufen würde.
Die Zwerge bildeten eine dichte Verteidigungslinie und hatten keine Schwierigkeiten, weitere Goblins niederzumetzeln. Bruenors Axt erhielt schon viele Kerben, bevor ein Goblin überhaupt nach ihm schlagen konnte.
Doch allmählich stellte sich bei Kessells Soldaten Ordnung ein, und sie rückten in geschlossenen Formationen gegen die Zwerge vor. Immer mehr Soldaten im Lager wurden wach und mobilisierten andere, und die wachsende Stärke der Gegenseite begann den Angreifern schwer zuzusetzen. Und dann stürmte eine Gruppe Oger, Kessells Elitetruppe, durch das Lager.
Die ersten Zwerge, die sich zurückziehen sollten, waren die Tunnelfachleute, denn ihnen oblag die letzte Überprüfung der Vorbereitungen für den Einsturz. Sie stellten sich auf den untersten Sprossen der Leitern in den Schächten auf. Die Flucht zurück in die Tunnel war ein kompliziertes Unternehmen, und der entscheidende Faktor für ihren Erfolg oder ihr Scheitern lag in Gewandtheit und Schnelligkeit.
Doch dann befahl Bruenor auf einmal unplanmäßig den Tunnelfachleuten, wieder aus den Schächten herauszukommen, und rief die Zwerge auf, sie sollten die Stellung halten.
Er hatte die ersten Töne eines uralten Liedes gehört, eines Liedes, das ihn vor nur wenigen Jahren mit Angst und Schrecken erfüllt hatte. Aber jetzt erfüllte es ihn mit Hoffnung.
Denn er erkannte die Stimme wieder, die die anderen Stimmen übertönte.
Ein abgetrennter Arm fauligen Fleisches flog auf den Boden: ein weiteres Opfer von Drizzt Do'Urdens schwirrendem Krummsäbel.
Aber immer mehr der furchtlosen Trolle drangen ein. Normalerweise hätte Drizzt bereits auf der Türschwelle ihre Gegenwart wahrgenommen. Ihr schrecklicher Gestank machte es ihnen unmöglich, sich verborgen zu halten. Aber diese hatten sich bisher nicht im Zimmer aufgehalten. Als sich Drizzt weiter in den Raum hineingewagt hatte, war er über eine magische Alarmvorrichtung gestolpert, worauf Zauberlicht erstrahlte und die Wächter erschienen waren. Sie kamen aus den magischen Spiegeln, die Kessell zur Beobachtung überall im Zimmer aufgestellt hatte.
Drizzt hatte bereits eine der scheußlichen Bestien besiegt, aber jetzt dachte er eher an eine Fluchtmöglichkeit als an Kampf. Fünf weitere waren an die Stelle des ersten getreten, und sie waren jedem Krieger überlegen. Drizzt schüttelte ungläubig den Kopf, als sich plötzlich der Körper des Trolls, den er gerade geköpft hatte, wieder erhob und blindlings um sich schlug.
Und dann packte ihn eine Klauenhand am Knöchel. Er brauchte nicht erst hinzusehen, um zu wissen, daß es die Hand war, die er gerade abgeschnitten hatte.
Entsetzt trat er nach dem makabren Arm, drehte sich um und lief zu der Wendeltreppe, die vom hinteren Teil des Raumes zur ersten Ebene führte. Auf seinen Befehl hin hatte sich Guenhwyvar, geschwächt wie er war, bereits die Stufen hinaufgeschleppt und wartete jetzt am Treppenabsatz auf ihn.
Drizzt hörte deutlich die schlurfenden Schritte seiner ekelhaften Verfolger und ein Kratzen, das von den schmutzigen Nägeln der abgetrennten Hand herrührte, die ebenfalls die Verfolgung aufgenommen hatte. Der Dunkelelf sprang die Stufen hinauf, ohne einen Blick zurückzuwerfen, und hoffte nur, daß ihm seine Schnelligkeit und Flinkheit den Vorsprung verschaffen würden, den er brauchte, um sich nach einer Fluchtmöglichkeit umschauen zu können.
Doch am Ende der Treppe gab es keine Tür.
Der Treppenabsatz war rechteckig, und seine längere Seite maß ungefähr drei Meter. An zwei Seiten war er offen, die dritte nahm die Treppe ein, die sie hochgekommen waren, und die vierte wurde von einem flachen Spiegel eingenommen, der genauso breit war wie der Absatz und bis zur Decke reichte. Als Drizzt von der obersten Stufe aus den Spiegel betrachtete, hoffte er, die Feinheiten dieser ungewöhnlichen Tür verstehen zu können, falls es sich wirklich um eine handelte.
Es würde nicht leicht sein.
Obwohl sich im
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