Die vergessenen Welten 03 - Die selbernen Ströme
Stolz.
»Du gehst nicht mit ihnen!« herrschte er den Barbaren an. »Ich habe keine Lust zu gehen, aber ich wage auch nicht, alleine hier zu bleiben. Sollen Drizzt und Bruenor doch ihren Spaß haben in dieser kalten, stinkigen Gasse. Wir bleiben hier und genießen einen wohlverdienten Abend mit erstklassiger Unterhaltung.«
Drizzt gab Regis unter dem Tisch dankbar einen Klaps auf das Knie und erhob sich zum Gehen. Bruenor trank seinen Krug leer und sprang von seinem Stuhl auf.
»Gehen wir also«, sagte er zu dem Dunkelelfen. Und dann zu Wulfgar: »Paß auf den Halbling auf und hüte dich vor den Frauen! Sie sind niederträchtig wie hungrige Ratten, und das einzige, wo sie hineinbeißen wollen, ist dein Geldbeutel!« Bruenor und Drizzt waren in die erste leere Gasse hinter dem Gasthaus eingebogen. Der Zwerg hielt an ihrem Anfang nervös Wache, während sich Drizzt einige Schritte in die Dunkelheit wagte. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß er alleine und nicht bedroht war, holte er eine Onyxstatuette aus seinem Beu tel hervor, die verblüffende Ähnlichkeit mit einer großen Wildkatze hatte, und stellte sie vor sich auf den Boden.
»Guenhwyvar«, rief er leise. »Komm, mein Schatten.«
Seine Bitte wurde über die Ebenen zu der Astralheimat der Wesenheit des Panthers getragen. Die große Katze erhob sich aus ihrem Schlaf. Seit dem letzten Ruf ihres Herrn waren viele Monate vergangen, und sie war eifrig bedacht, ihm zu dienen. Guenhwyvar sprang durch das Gefüge der Ebenen und folgte einem flackernden Licht, das für ihn den Ruf des Dunkelelfen symbolisierte. Gleich darauf stand die Katze neben Drizzt in der Gasse und war in der fremden Umgebung sofort in Alarmbereitschaft.
»Leider müssen wir eine gefährliche Gegend aufsuchen«, erklärte Drizzt. »Ich brauche dort Augen, wo meine nicht hingelangen können.«
Unverzüglich sprang Guenhwyvar lautlos auf einen Schutthaufen, über ein zerbrochenes Terrassengeländer und weiter zu den Dächern hinauf. Zufrieden und um einiges beruhigter schlich Drizzt in die Straße zurück, wo Bruenor wartete. »Nun, wo ist denn jetzt diese verdammte Katze?« fragte Bruenor. In seiner Stimme lag ein Hauch von Erleichterung, daß Guenhwyvar nicht bei dem Dunkelelfen war. Abgesehen von Zaubersprüchen für Waffen standen die meisten Zwerge der Magie äußerst ablehnend gegenüber, und Bruenor hatte für den Panther nichts übrig.
»Wo wir sie am meisten brauchen«, gab der Dunkelelf zurück. Er begann, die Straße hinunterzugehen. »Fürchte dich nicht, mächtiger Bruenor. Guenhwyvars Augen sind auf uns gerichtet, auch wenn wir ihren schützenden Blick nicht erwidern können!« Der Zwerg sah sich überall nervös um, und am Rand seines gehörnten Helms wurden einige Schweißperlen sichtbar. Er kannte Drizzt jetzt schon seit vielen Jahren, aber er fühlte sich nie wohl, wenn die magische Katze in der Nähe war. Drizzt verbarg sein Lächeln unter seiner Kapuze.
Auf ihrem Weg an den Anlegestellen entlang sahen die mit Schutt und Abfall übersäten Gassen, an denen sie vorbeikamen, alle gleich aus. Bruenor beäugte jede schattige Ecke mit wachsamem Argwohn. In der Nacht waren seine Augen nicht so scharf wie die des Dunkelelfen, und wenn er so gut hätte sehen können wie dieser, hätte er seine Axt wohl noch fester umklammert.
Aber der Zwerg und der Dunkelelf waren auch nicht allzusehr besorgt. Sie boten keineswegs das typische Bild Betrunkener, die nachts durch dieses Viertel torkelten und für Diebe eine leichte Beute darstellten. Die vielen Kerben in Bruenors Axt und die baumelnden Säbel an Drizzts Gürtel schreckten die meisten Gauner sofort ab.
In dem Irrgarten der Straßen und Gassen brauchten sie eine Weile, bis sie die Rattengasse fanden. Direkt bei den Anlegestellen verlief sie parallel zum Meer, und dicker Nebel schien sie unpassierbar zu machen. Lange, niedrige Lagerhäuser säumten die Gasse auf beiden Seiten, und zerbrochene Kisten und Schachteln lagen überall herum, so daß an vielen Stellen nur ein schmaler Durchgang blieb, wo sie hintereinander gehen mußten.
»Netter Ort für eine düstere Nacht«, bemerkte Bruenor mit Nachdruck.
»Bist du sicher, daß es die richtige Gasse ist?« fragte Drizzt, der genauso wenig begeistert war.
»Der Händler in Zehn-Städte hat mir wortwörtlich gesagt, wenn es einen gibt, der mir diese Karte geben kann, dann ist es Raune. Und der Ort, an dem Raune zu finden ist, ist die Rattengasse – immer nur die
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