Die vergessenen Welten 05 - Der magische Stein
doch hervorragend«, widersprach Pook. »Ich habe Rassiter noch nie so entnervt erlebt, und dieser Anblick allein war noch viel besser, als ich mir vorzustellen gewagt habe!«
»Entreri wird ihn töten, wenn er nicht aufpaßt«, sagte LaValle grimmig.
Pook war belustigt. »Dann sollten wir herausfinden, wer wohl Rassiters Nachfolge antreten wird.« Er sah zu LaValle auf. »Fürchte dich nicht, mein Freund. Rassiter ist ein Überlebenskünstler. Sein ganzes Leben lang war die Straße seine Heimat, und er weiß, wann er sich in die Sicherheit der Schatten zurückziehen muß. Er wird seine Schranken kennenlernen und dem Meuchelmörder den gebührenden Respekt erweisen.«
Aber LaValle dachte keineswegs an Rassiters Sicherheit — er hatte sich selbst schon häufig überlegt, wie er die niederträchtige Werratte loswerden könnte. Was den Zauberer beunruhigte, war die Möglichkeit einer tiefen Spaltung in der Gilde. »Was ist, wenn Rassiter seine Verbündeten gegen Entreri aufwiegelt?« fragte er in grimmigerem Ton. »Der Straßenkrieg, der sich daraus entwickeln würde, könnte die Gilde spalten.«
Pook tat diese Möglichkeit mit einer Handbewegung ab. »Selbst Rassiter ist nicht so dumm«, meinte er und befingerte den Rubinanhänger. Er war sich sicher, daß er notfalls einfach nur dessen Magie anzuwenden brauchte.
LaValle entspannte sich. Er war beruhigt durch die Beteuerungen seines Meisters und zuversichtlich, daß Pook in der Lage war, die verworrene Situation in den Griff zu bekommen. Wie immer hatte Pook recht, erkannte LaValle. Zum möglichen Vorteil aller Beteiligten hatte Entreri die Werratte mit einem einzigen Blick aus der Fassung gebracht. Vielleicht würde sich Rassiter jetzt wieder an seinen Rang in der Gilde erinnern. Und wenn Entreri bald wieder auf dieser Ebene untergebracht war, würden die aufdringlichen Besuche der schmuddeligen Werratte vielleicht weniger werden. Ja, es war gut, daß Entreri wieder da war.
* * *
Die Neun Zellen harten ihren Namen erhalten, weil sie in den Boden eines Raumes gitterförmig hineingehauen worden waren, lediglich die mittlere Zelle war stets leer. In den anderen acht hielt Pascha Pook seine wertvollste Sammlung: riesige Raubkatzen aus allen Winkeln der Welten.
Entreri übergab Regis dem Gefängniswärter, einem maskierten Riesen von Mann. Dann trat er zurück, um sich das Schauspiel anzusehen. Der Gefängniswärter befestigte um den Halbling das Ende eines dicken Seils, das mit einem Flaschenzug an der Decke über der mittleren Zelle verbunden war und weiter zu einer Kurbel an einer Seite verlief.
»Binde es los, wenn du drin bist«, knurrte der Gefängniswärter. Er versetzte Regis einen Stoß. »Such dir deinen Weg.«
Regis schob sich zaghaft an den äußeren Zellen entlang. Zu den ungefähr drei Quadratmeter großen Zellen gehörten Höhlen, die in die Wände gehauen waren und in denen die Katzen schlafen konnten. Aber von den Bestien schlief jetzt keine einzige, und alle schienen gleich hungrig zu sein.
Sie waren immer hungrig.
Regis entschied sich für den Weg zwischen einem weißen Löwen und einem riesigen Tiger, da er davon ausging, daß diese zwei Riesen wohl kaum die sechs Meter hohe Wand ersteigen und seinen Knöchel von unten packen würden, wenn er sich über ihnen bewegte. Er setzte einen Fuß auf die Trennwand zwischen den Zellen, die gerade zehn Zentimeter breit war. Dann hielt er ängstlich inne.
Der Gefängniswärter zog drängend an dem Seil, so daß Regis beinahe in die Zelle zu dem Löwen gestürzt wäre.
Schweren Herzens machte er sich auf den Weg. Er konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und versuchte, nicht auf das Knurren und die Klauen unter sich zu achten. Er hatte fast die mittlere Zelle erreicht, als sich der Tiger mit seinem ganzen Gewicht gegen die Wand warf, so daß sie heftig bebte. Regis verlor das Gleichgewicht und stürzte kreischend von der Mauer.
Der Gefängniswärter drehte die Kurbel und zog ihn mitten im Fall gerade eben außer Reichweite des Tigers hoch. Regis schlug gegen die Wand und brach sich fast die Rippen, aber in diesem verzweifelten Augenblick empfand er keine Schmerzen. Er kletterte über die Wand und schwebte in der Luft, bis er schließlich die Mitte der mittleren Zelle erreicht hatte und der Gefängniswärter ihn hinunterließ.
Zaghaft setzte er die Füße auf den Boden und umkrampfte das Seil als seine letzte Rettung. Er weigerte sich zu glauben, daß er an diesem
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