Die vergessenen Welten 07 - Das Vermächtnis
zusammengebrochen.
Wulfgar konnte sich jedoch nicht erlauben zu sterben. Nicht, wenn Catti-brie und Bruenor noch in Gefahr waren.
Er begann ein Lied an Tempus, seinen Kriegsgott, das aus tiefster Seele kam. Er sang mit Lungen, die sich schnell mit Blut füllten, mit einer Stimme, die aus einem Herzen kam, das über zwanzig Jahre lang mächtig geschlagen hatte.
Er sang und vergaß die Wellen unerträglichen Schmerzes; er sang, und das Lied kam zu seinen Ohren zurück, hallte von den Höhlenwänden wider wie ein Chor der Anhänger eines beipflichtenden Gottes.
Er sang und festigte seinen Griff an Aegisfang.
Wulfgar schlug zu, aber nicht gegen die Bestie, sondern gegen die niedrige Decke der Einbuchtung. Der Hammer fuhr durch Erde und riß am Stein.
Steinchen und Staub fielen auf den Barbaren und seine Angreiferin herab. Wieder und wieder schmetterte Wulfgar seinen Hammer gegen die Decke, und die ganze Zeit sang er dabei.
Die Yochlol, die nicht dumm war, biß wild zu, schüttelte ihren Kopf wie rasend, aber Wulfgar war jenseits der Schwelle, da ihm Schmerz noch etwas bedeutete. Aegisfang flog nach oben, und ein Felsbrocken folgte ihm, als er wieder herabsank.
Sobald sie wieder bei sich war, erkannte Catti-brie, was der Barbar vorhatte. Die Yochlol hatte kein Interesse mehr an ihr, zog sie auch nicht mehr zu sich, und es gelang ihr, zu ihrem Bogen zu kriechen.
»Nein, mein Junge!« hörte sie Bruenor von fern rufen.
Catti-brie legte einen Pfeil ein und wandte sich um.
Aegisfang schmetterte gegen die Decke.
Catti-bries Pfeil zischte einen Augenblick, bevor die Decke nachgab, in die Yochlol. Mächtige Felsbrocken stürzten herab; jede freie Stelle zwischen ihnen füllte sich mit Geröll aus Steinen und Erdreich und spuckte Staubwolken in die Luft. Die Höhle erbebte heftig, und der Zusammenbruch hallte in allen Tunneln wider.
Sowohl Catti-brie als auch Bruenor standen nicht mehr auf den Beinen. Beide preßten sich, ihre Arme schützend über den Köpfen verschränkt, auf den Boden, als der Einsturz allmählich endete. Keiner konnte durch die Dunkelheit und den Staub sehen; keiner konnte sehen, daß sowohl das Monster als auch Wulfgar unter Tonnen herabstürzenden Gesteins verschwunden waren.
TEIL 5
Endspiel
Wenn ich sterben werde...
Ich habe Freunde verloren, habe meinen Vater, meinen Mentor, an das größte aller Geheimnisse verloren, das Tod genannt wird. Ich habe Trauer gekannt, seit dem Tag, an dem ich mein Heimatland verlassen habe, seit dem Tag, an dem die üble Malice mir mitteilte, daß Zaknafein der Spinnenkönigin übergeben worden war. Trauer ist ein seltsames Gefühl, dessen Zentrum sich ständig verschiebt. Trauere ich um Zaknafein, um Montolio, um Wulfgar? Oder trauere ich um mich selbst, um den Verlust, den ich erdulden muß?
Es ist vielleicht die grundlegende Frage der sterblichen Existenz, und doch ist es eine, auf die es keine Antwort geben kann...
Ich bin noch immer traurig, wenn ich an die Übungskämpfe mit meinem Vater denke, wenn ich mich erinnere, wie ich an Montolios Seite durch die Berge wanderte, und wenn jene Erinnerungen an Wulfgar, die wohl die intensivsten von allen sind, wie eine Zusammenfassung der letzten paar Jahre meines Lebens durch meinen Kopf zucken. Ich erinnere mich an einen Tag auf Kelvins Steinhügel, der sich über die Tundra des Eiswindtales erhebt, als der junge Wulfgar und ich die Lagerfeuer seines nomadischen Volkes erblickten. Das war der Moment, wo Wulfgar und ich wirklich Freunde wurden, der Moment, in dem wir wußten, daß wir bei allen Ungewißheiten des Lebens immer einander haben würden.
Ich erinnere mich an den weißen Drachen Eisiger Tod und an den Riesen Biggrin und daran, daß ich in beiden Kämpfen getötet worden wäre, wenn nicht der heldenmütige Wulfgar an meiner Seite gestanden hätte. Ich erinnere mich auch daran, wie ich mit meinem Freund die Siege geteilt habe, wie das Band unseres Vertrauens und unserer Zuneigung immer enger
wurde - enger, aber niemals beengend.
Ich war nicht da, als er fiel, und konnte ihm nicht die Unterstützung geben, die er mir sicher gegeben hätte.
Ich konnte nicht »Lebwohl!« sagen.
Wenn ich sterben werde, werde ich dann allein sein? Sollte ich nicht den Waffen der Monster oder den Klauen einer Krankheit zum Opfer fallen, werde ich sicher Catti-brie und Regis überleben und sogar Bruenor. Zu diesem Zeitpunkt meines Lebens glaube ich fest, daß ich ohne diese drei wahrhaft alleine sterben werde, wer immer
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