Die vergessenen Welten 07 - Das Vermächtnis
offensichtlich.
Der Junge war nicht mehr am Leben.
Catti-brie grub weiter und begann zu schluchzen, als ihr Verstand ihr allmählich sagte, was ihr Herz verleugnete.
Bruenor legte ihr die Hand auf den Arm, um sie von ihrer sinnlosen Arbeit abzuhalten, und als sie zu ihm hochsah, brach ihr Gesichtsausdruck ihm fast das Herz. Ihr Gesicht war mit Schmutz überzogen. Eine Wange war mit getrocknetem Blut bedeckt, und ihr Haar klebte ihr am Kopf. Dann sah Bruenor nur noch ihre Augen, rehgleiche Augäpfel aus kristallenem Blau, die vor Feuchtigkeit glänzten.
Bruenor schüttelte langsam den Kopf.
Catti-brie lehnte sich zurück, ihre blutenden Hände lagen reglos in ihrem Schoß, und ihre Augen zwinkerten nicht. Wie häufig waren sie und ihre Freunde diesem letzten Schritt nahe gewesen? Wie häufig waren sie den gierigen Klauen des Todes im letzten Moment entkommen?
Die Wahrscheinlichkeit hatte sie einholt, hatte Wulfgar hier und jetzt plötzlich und ohne Warnung eingeholt.
Er war nicht mehr, der mächtige Kämpfer, der Anführer seines Stammes, der Mann, der Catti-brie hatte heiraten wollen. Sie, Bruenor und selbst der mächtige Drizzt Do'Urden konnten nichts mehr tun, um ihm zu helfen und das ungeschehen zu machen, was hier geschehen war.
»Er hat mich gerettet«, flüsterte die junge Frau.
Bruenor schien sie nicht zu hören. Der Zwerg wischte sich ständig den Staub aus den Augen, Staub, der sich in den großen Tränen sammelte, die sich bildeten und dann hinabliefen und Linien über seine schmutzigen Wangen zogen. Wulfgar war für Bruenor wie ein Sohn gewesen. Der harte Zwerg hatte den jungen Wulfgar - er war damals noch fast ein Kind gewesen - nach einer Schlacht in sein Heim aufgenommen, angeblich als Sklaven, aber in Wahrheit, um dem Jungen eine bessere Lebensweise nahezubringen. Bruenor hatte Wulfgar zu einem Mann geformt, dem man vertrauen konnte, einem Mann mit einem ehrlichen Charakter. Der glücklichste Tag im Leben des Zwerges, sogar glücklicher als der Tag, an dem Bruenor Mithril-Halle wieder sein eigen nennen konnte, war jener gewesen, an dem Wulfgar und Cattibrie erklärt hatten, daß sie heiraten würden.
Bruenor trat so heftig gegen einen schweren Stein, daß dieser zur Seite rutschte.
Dort lag Aegisfang.
Die Knie des tapferen Zwerges wurden weich, als er den Kopf des wunderbaren Kriegshammers sah, in den die Symbole Dumathains eingemeißelt waren, eines Gottes der Zwerge, des Bewahrers der Geheimnisse unter dem Berg. Bruenor zwang sich zu tiefen Atemzügen und versuchte lange, sich zusammenzureißen, bevor er schließlich die Kraft aufbringen konnte, hinabzugreifen und den Hammer von dem Geröll zu befreien.
Aegisfang war Bruenors größte Schöpfung gewesen, die Krönung seiner beachtlichen Schmiedekünste. Er hatte seine ganze Liebe und sein Können in die Fertigung dieses Hammers gelegt; er hatte ihn für Wulfgar gemacht.
Catti-bries halbwegs gefaßte Fassade brach beim Anblick der Waffe zusammen wie die Höhlendecke. Leises Schluchzen ließ ihre Schultern zucken, und sie zitterte und wirkte in dem düsteren, staubigen Licht unglaublich zerbrechlich.
Bruenor fand bei ihrem Anblick seine eigene Stärke wieder. Er ermahnte sich, daß er der achte König von Mithril-Halle war und verantwortlich für seine Untertanen - und für seine Tochter. Er schob den wertvollen Kriegshammer unter den Riemen seines Rucksacks, legte einen Arm um Catti-brie und zog sie auf die Beine.
»Wir können nichts mehr für den Jungen tun«, flüsterte Bruenor. Catti-brie riß sich von ihm los und eilte zu dem Steinhaufen zurück. Sie knurrte, während sie mehrere kleinere Steine zur Seite warf. Sie konnte die Fruchtlosigkeit ihrer Handlung erkennen, konnte die Tonnen von Erdreich und Steinen sehen, von denen viele zu groß waren, als daß sie bewegt werden konnten, und die die gesamte Einbuchtung ausfüllten. Aber Catti-brie grub trotzdem weiter, denn sie war einfach nicht in der Lage, den Barbaren aufzugeben. Keine andere Handlung barg irgendeine Hoffnung.
Bruenors Hände schlossen sich sanft um ihre Oberarme.
Mit einem Knurren schüttelte die junge Frau den Zwerg ab und fuhr mit ihrer Arbeit fort.
»Nein!« brüllte Bruenor und packte sie erneut. Er griff fest zu, hob sie in die Luft und trug sie von dem Steinhaufen fort. Er setzte sie hart ab, so daß er mit seinen breiten Schultern zwischen ihr und den Felsbrocken stand, und wie sehr Cattibrie auch versuchte, an ihm vorbeizukommen, Bruenor stellte sich ihr
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