Die vergessenen Welten 08 - Nacht ohne Sterne
Wie jeder, der sich dem Haus Baenre näherte, das aus zwanzig riesigen, ausgehöhlten Stalagmiten und dreißig verzierten Stalaktiten bestand, so war auch Jarlaxle jedesmal aufs neue beeindruckt. Nach den Maßstäben des Unterreiches, wo Platz begrenzt war, war das Anwesen riesig, denn es war fast eine halbe Meile lang und auch halb so breit.
Alles an dem Haus Baenre war wunderbar. Die Kunsthandwerker hatten kein einziges Detail übersehen; Sklaven arbeiteten ständig daran, die wenigen Stellen, die noch nicht künstlerisch verziert worden waren, mit Steinmetzarbeiten zu versehen. Die magischen Tüpfelchen, die hauptsächlich von Gromph hinzugefügt worden waren, dem ältesten Sohn von Oberin Baenre und Erzmagier von Menzoberranzan, waren nicht minder spektakulär. Bis hinab zu den hauptsächlich purpurnen und blauen Schattierungen des Feenfeuers, das genau die richtigen Gebiete der Hügel hervorhob, waren sie einfach atemberaubend.
Der fünfundzwanzig Fuß hohe Zaun des Anwesens, der auf so scheinbar winzige Art die gigantischen Stalagmitenhügel miteinander verband, gehörte zu den wundervollsten Schöpfungen in ganz Menzoberranzan. Manche sagten, er sei eine Gabe von Lloth gewesen, obwohl niemand in der Stadt, vielleicht mit Ausnahme der uralten Oberin Baenre, bereits gelebt hatte, als er errichtet worden war. Die Barriere bestand aus eisenharten Strängen, die so dick waren wie der Arm eines Drow und die verzaubert waren, so daß Eindringlinge tödlicher als an einem Spinnennetz festklebten. Selbst die besten Drowwaffen, die doch zu den schärfsten Waffen auf ganz Toril zählten, konnten die Stränge von Baenres Zaun nicht einkerben, und was einmal von dem Zaun eingefangen wurde, und war es auch das größte Monster, ein Riese oder ein Drache, hoffte vergeblich darauf, sich losreißen zu können.
Normalerweise würden Besucher des Hauses Baenre eines
der Tore aufgesucht haben, die in regelmäßigen Abständen in die Barriere eingelassen waren. Dort hätte dann ein Wachmann die Tagesparole verlangt, und die Stränge des Zaunes hätten sich nach außen gedreht und eine Öffnung geschaffen.
Jarlaxle war jedoch kein normaler Besucher, und Oberin Baenre hatte ihn angewiesen, sein Kommen und Gehen geheimzuhalten. Er wartete in den Schatten, die ihn vollständig verbargen, während mehrere Fußsoldaten auf ihrer Patrouille vorbeischlenderten. Jarlaxle bemerkte, daß sie nicht besonders auf der Hut waren, und warum sollten sie das auch sein, da schließlich die gesamte Streitmacht von Baenre hinter ihnen stand? Das Haus Baenre verfügte über mindestens zweieinhalbtausend ausgebildete und hervorragend bewaffnete Soldaten und stellte sechzehn Hohepriesterinnen. Kein anderes Haus in der Stadt - ja nicht einmal, wenn es sich mit vier anderen zusammenschloß - konnte eine solche Streitmacht aufweisen.
Der Söldner warf einen Blick zu der Säule von Narbondel, um festzustellen, wie lange er noch warten mußte. Er hatte sich kaum wieder dem Baenre-Anwesen zugewandt, als ein klarer, starker Hornstoß erscholl, dem ein weiterer folgte.
Ein leiser Zaubergesang erklang aus dem Innern des
Anwesens. Fußsoldaten eilten zu ihren Posten und standen stramm, wobei sie ihre Waffen präsentierten, wie es das Zeremoniell verlangte. Dies war das Spektakel, das den Stolz von Menzoberranzan zeigte, den disziplinierten, präzisen Drill, der der Behauptung aller Feinde Hohn sprach, daß die Dunkelelfen zu chaotisch wären, um sich für eine gemeinsame Sache oder zu einer gemeinsame Verteidigung zusammenzufinden. Söldner, die nicht Drow waren, insbesondere graue Zwerge, zahlten häufig ansehnliche Summen von Gold und Edelsteinen, nur um das Spektakel des Wachwechsels der Hauswache des Hauses Baenres ansehen zu dürfen.
Streifen aus orangem, rotem, grünem, blauem und purpurnem Licht eilten die Stalagmitenhügel hinauf, um auf gleichartige Streifen zu treffen, die von den zackigen Stalaktiten des Baenre-Anwesens herabkamen. Verzauberte Embleme des Hauses, die von den Baenre-Wachen getragen wurden, erzeugten diesen Effekt. Sie zierten männliche Dunkelelfen, die auf Eidechsen des Unterreichs ritten, die ebenso leicht an Wänden gehen konnten wie am Boden oder an der Decke.
Die Musik verklang. Die leuchtenden Streifen formten unzählige brillante Muster auf dem ganzen Anwesen, von denen viele die Gestalt von Spinnen annahmen. Dieses Ereignis fand zweimal an jedem Tag statt, und jeder Drow in Sichtweite blieb stehen und sah es sich
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