Die vergessenen Welten 09 - Brüder des Dunkels
immer frei und guten Mutes, sorglos drauflos springend und mit dem Gefühl, unsterblich zu sein.
Fast.
Rissige Fassaden
»Eine Verschwörung?« fragten die Finger des Dunkelelfen in der lautlosen Gestensprache der Drow, deren Bewegungen so kompliziert und vielfältig waren, daß damit fast jede Bedeutung jedes Wortes der Drowsprache wiedergegeben werden konnte.
Jarlaxle antwortete mit einem Kopfschütteln. Er seufzte und schien ehrlich verblüfft zu sein – ein Anblick, den man nicht oft zu sehen bekam –, dann bedeutete er seinem Begleiter, ihm an einen sichereren Ort zu folgen.
Sie durchquerten die breiten, gewundenen Straßen von Menzoberranzan – flache, freie Bereiche zwischen den hoch aufragenden Stalagmithügeln, die den verschiedenen Drowfamilien als Heim dienten. Diese Hügel und eine ganze Anzahl der langen Stalaktiten, die von der Decke der riesigen Höhle herabhingen, waren ausgehöhlt und mit ausladenden Balkonen und Verbindungswegen versehen worden. Die herabhängenden Felsen, die sich über dem Anwesen einer Familie befanden, waren oft durch Brücken miteinander verbunden, denen man zumeist das Aussehen von Spinnweben verliehen hatte. Und auf allen Häusern, insbesondere auf denen der älteren und einflußreicheren Familien, wurden die wundersamsten Verzierungen durch purpurnes und blaues Feenfeuer hervorgehoben, das manchmal mit Rot und, seltener, mit Grün umrandet war. Menzoberranzan war die spektakulärste aller Städte; atemberaubend und unwirklich. Ein unwissender Besucher (der nicht lange unwissend oder auch nur lebendig bleiben würde!) würde niemals auf den Gedanken kommen, daß die Schöpfer solcher Schönheit zu einer der bösartigsten Rassen auf Toril gehörten.
Jarlaxle bewegte sich ohne den leisesten Laut die dunkleren, engeren Straßen entlang, welche die einfacheren Häuser umgaben. Seine Aufmerksamkeit war nach vorne und zu den Seiten gerichtet, sein scharfes Auge (die Klappe lag im Augenblick über dem rechten) erspähte die geringsten Bewegungen in den entlegensten Schatten.
Die Überraschung des Söldnerführers war vollkommen, als er einen Blick zu seinem Begleiter zurückwarf und feststellte, daß es sich dabei nicht um M'tarl handelte, den Leutnant von Bregan D'aerthe, mit dem er aufgebrochen war, sondern um einen ganz anderen, sehr mächtigen Drow.
Jarlaxle war nur selten um eine schlagfertige Antwort verlegen, aber als der Geist von Gromph Baenre, dem ältesten Sohn von Oberin Baenre und Erzmagier von Menzoberranzan, so unerwartet neben ihm stand, war er doch einen Augenblick sprachlos.
»Ich hoffe doch, daß M'tarl wieder zu mir zurückgebracht wird, wenn Ihr fertig seid«, sagte Jarlaxle, der schnell seine Fassung wiederfand.
Ohne ein Wort zu sagen, wedelte der Erzmagier mit der Hand, und eine schimmernde grüne Kugel erschien ein paar Fuß über dem Boden in der Luft. Eine dünne, silberne Schnur hing von ihr herab, deren sichtbares Ende kaum den Steinboden streifte.
Jarlaxle zuckte mit den Schultern und ergriff die Schnur, und sobald er sie berührte, wurde er in die Kugel hineingezogen, hinein in den außerdimensionalen Raum jenseits des schimmernden Portals.
Der Zauber war beeindruckend, dachte Jarlaxle, denn er fand im Inneren nicht den leeren Raum vor, der durch eine solche Beschwörung gewöhnlich erschaffen wurde, sondern ein verschwenderisch prunkvoll eingerichtetes Wohnzimmer, komplett mit einem zombieartigen Diener, der ihm bereits einen Becher feinsten Weines darbot, bevor er sich noch gesetzt hatte. Jarlaxle nahm sich einen Moment Zeit, um seinen Augen Gelegenheit zu geben, in das normale Lichtspektrum zurückzukehren, denn der Raum war in sanftes, blaues Leuchten gehüllt. Dies war nicht ungewöhnlich für Zauberer, nicht einmal für Drowzauberer, die an die lichtlose Lebensweise des Unterreiches gewöhnt waren, denn ohne Licht konnte man keine Schriftrollen oder Zauberbücher lesen!
»Er wird zurückkehren, wenn er dort, wo ich ihn hingebracht habe, lange genug überleben kann, bis wir unsere Unterhaltung beendet haben«, erwiderte Gromph, der inzwischen ebenfalls die außerdimensionale Blase betreten hatte. Der mächtige Sohn des Hauses Baenre schloß die Augen und flüsterte ein einzelnes Wort, woraufhin sich sein P iwafwi Umhang und der Rest seiner unscheinbaren Kleidung verwandelten. Jetzt sah er aus, wie es seiner hohen Stellung entsprach. Seine wallende Robe wies viele Taschen auf und war mit Siegeln und Runen der Macht bestickt. Wie die
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