Die vergessenen Welten 09 - Brüder des Dunkels
umherwandern müßte.
Sie stemmte die Klauen in den Boden und schob sich langsam rückwärts. Sie kämpfte mit dem heftigen Wind um jeden Zoll des Weges. Ihr schwarzes Fell wurde zerzaust, die glatten Haare gegen den Strich aufgewühlt.
Ein Schritt zurück.
Der Tunnel war glatt und hart, und die Klauen des Panthers hatten wenig, in das sie sich eingraben konnten. Guenhwyvars Tatzen schoben heftiger nach hinten, aber unaufhaltsam wurde die Katze immer näher auf die Flammen und den Riß zugedrängt.
»Was ist?« fragte Catti-brie. Sie hatte Drizzts verwirrten Blick bemerkt, als dieser die Statuette aufhob.
»Warm«, erwiderte Drizzt. »Die Statue ist warm.«
Jetzt schaute auch Catti-brie erstaunt drein. Ein Gefühl reinen Schreckens überkam sie, ein Gefühl, das sie nicht erklären konnte. »Ruf Guen wieder her«, drängte sie. Drizzt, der von der gleichen Angst heimgesucht wurde, war bereits dabei. Er stellte die Statuette auf den Boden und rief nach dem Panther.
* * *
Guenhwyvar hörte den Ruf und wollte ihm unbedingt folgen, aber mittlerweile war sie dicht an dem Riß. Wilde Flammen zuckten hoch und versengten ihr das Gesicht. Der Wind war stärker als zuvor, und es gab nichts, überhaupt nichts, woran sich Guenhwyvar festklammern konnte.
Die Katze verspürte Furcht, und sie verspürte Trauer. Niemals wieder würde sie Drizzts Ruf folgen, nie wieder an der Seite des Waldläufers in den Wäldern nahe Mithril-Halle jagen oder mit Drizzt und Catti-brie einen Berg hinabrennen können.
Guenhwyvar hatte schon öfter Trauer verspürt, wenn frühere Meister gestorben waren. Aber diesmal würde es keinen Ersatz geben, nicht für Drizzt und auch nicht für Catti-brie oder Regis oder auch nur für Bruenor, jene frustrierendste aller Kreaturen, deren Haßliebe zu Guenhwyvar dem Panther oft so großes Vergnügen bereitet hatte.
Guenhwyvar erinnerte sich an die Gelegenheit, als Drizzt dem Panther aufgetragen hatte, sich auf den schlafenden Bruenor zu legen und ein Nickerchen zu machen. Wie der Zwerg gebrüllt hatte!
Flammen bissen Guenhwyvar im Gesicht. Sie konnte jetzt durch den Riß schauen und die Leere sehen, die sie erwartete.
Irgendwo, jenseits des kreischenden Windes, erklang Drizzts Ruf – ein Ruf, dem die Katze nicht folgen konnte.
Baenres Schuld
Uthegental Armgo, Waffenmeister von Barrison del'Armgo, dem Zweiten Haus von Menzoberranzan, war nicht gerade Jarlaxles Lieblingsdrow. Tatsächlich war sich Jarlaxle nicht einmal sicher, ob Uthegental wirklich ein Drow war. Mit einer Größe von fast sechs Fuß und einem muskelbepackten Körper, der knapp zweihundert Pfund wog, war Uthegental der größte Dunkelelf in Menzoberranzan und einer der größten dieser gewöhnlich eher zierlichen Rasse, der jemals im Unterreich gesehen worden war. Doch den wilden Waffenmeister zeichnete mehr aus als nur dies. Während Jarlaxle als exzentrisch betrachtet wurde, sah Uthegental einfach nur beängstigend aus. Er schor sein weißes Haar kurz und formte es mit Hilfe eines dicken, gelartigen Extraktes, der aus Rotheeutern ausgekocht wurde, zu vielen Spitzen. Durch seine kantige Nase hatte er einen Mithrilring gezogen, und aus jeder Wange ragte ein Schmucknagel.
Seine Waffe war ein Dreizack, der ebenso schwarz war wie der maßgeschneiderte Panzer aus miteinander verbundenen Platten, den er trug. Dazu hing ein Netz – ein magisches, wie man munkelte – griffbereit von seinem Gürtel.
Jarlaxle war froh, daß Uthegental zumindest nicht seine Kriegsbemalung trug, Zickzackstreifen aus einer Farbe, die der Söldner nicht kannte und die sowohl im normalen als auch im infraroten Lichtspektrum gelb und rot aussah. Es war in Menzoberranzan allgemein bekannt, daß Uthegental nicht nur der Patron von Oberin Mutter Mez'Barris, sondern auch der Liebhaber vieler anderer Frauen von Barrison del'Armgo war. Das zweite Haus betrachtete ihn als Zuchtmaterial, und der Gedanke an Dutzende kleiner Uthegentals, die überall herumwimmelten, brachte einen säuerlichen Ausdruck auf Jarlaxles Gesicht.
»Die Magie spielt verrückt, aber ich bleibe so stark wie immer!« knurrte der exotische Waffenmeister, dessen ständig gefurchte Stirn ihn noch bedrohlicher erscheinen ließ. Er streckte den Arm zur Seite und spannte den Bizeps an, so daß die steinharten Muskeln mächtig und stolz anschwollen.
Jarlaxle mußte sich wieder ins Bewußtsein rufen, daß er sich inmitten seines eigenen Lagers befand, in seinem eigenen Zimmer, hinter seinem eigenen
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